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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nächtlichen Unwetter war ein heiterer Morgen angebrochen. Die Regenwasser hatten sich verlaufen; der Hochwald dampfte und im Tal unten wogte zwischen dem Gesträuch das saftige Gras hoch wie ein Ährenfeld. Die Pferde wurden aus den Gebäuden gelassen, um sich an diesem Grün zu laben, denn von einem Aufbruch konnte jetzt noch keine Rede sein, da die Tiere sich nach dem nächtlichen Parforceritt ausruhen mußten und man jetzt auch noch gar nicht wußte, wohin man sich zu wenden hatte. Dieses letztere mußte erst noch besprochen werden.
    Die Männer nahmen von den mitgebrachten Vorräten ein Frühstück, um sich nach demselben zur notwendigen Beratung zusammenzusetzen. Dabei war zu bemerken, daß Leutnant Verano dem alten Anciano eine mehr als gewöhnliche Aufmerksamkeit schenkte. Seine Blicke kehrten wieder und immer wieder zu diesem zurück, so daß der Indianer, welcher dies gar wohl bemerkte, endlich fragte: „Sie betrachten mich fortwährend, Señor. Hat dies einen besonderen Grund?“
    „Ja“, antwortete der Offizier.
    „Darf ich erfahren, welchen? Komme ich Ihnen vielleicht bekannt vor? Hätten Sie mich schon einmal gesehen?“
    „Sie wohl nicht. Meine Aufmerksamkeit gilt nur Ihrem langen, weißen Haar, welches mich an einen Skalp erinnert, den ich einmal gesehen habe.“
    „Skalp? Was ist das?“
    „Die Indianer Nordamerikas haben die Gewohnheit, ihren getöteten Feinden die Kopfhaut abzuziehen und als Zeichen des Sieges und der Tapferkeit aufzubewahren. Eine solche Haut wird Skalp genannt. Es ist ganz dasselbe, was wir spanisch sprechenden Leute mit Piel del cráneo bezeichnen.“
    „In welcher Beziehung stehe denn ich mit dieser Kopfhaut?“
    „Es ist eine Ähnlichkeit. Der Skalp, von welchem ich spreche, hatte ein ebenso langes und dichtes weißes Haar, wie Sie tragen.“
    Anciano horchte auf. Seine Züge nahmen den Ausdruck der Spannung an, als er fragte: „Ein ebensolches Haar? Das wäre doch höchst merkwürdig! Ich glaube nicht, daß ein Weißer sein Haar in meiner Weise trägt.“
    „Ich habe das allerdings auch noch nie gesehen. Übrigens hatte die Kopfhaut einem Indianer angehört.“
    „Wohl einem nordamerikanischen?“
    „Nein, sondern einem hiesigen.“
    „Von welchem Stamm war er?“
    „Das weiß ich nicht. Ich fragte zwar danach, doch gab mir der Besitzer des Skalps keine genügende Antwort.“
    „Wo sahen Sie die Haut?“
    „In Buenos Aires.“
    „Bei wem?“
    „Bei dem Stierkämpfer Antonio Perillo. Ich war einmal mit einem Freund bei ihm. Er hatte sein Zimmer mit allerlei Trophäen ausgeschmückt, unter denen sich diese Haut befand.“
    „Antonio Perillo, der Espada! Er ist es ja, mit dem wir wahrscheinlich zusammenstoßen werden! Man sagt, daß er wiederholt im Westen gewesen sei. Hat er Ihnen mitgeteilt, auf welche Weise er zu dieser Haut gekommen ist?“
    „Ja. Er hat mit einem Indianer auf Leben und Tod gekämpft und ihn besiegt. Als Andenken an diesen schweren, lebensgefährlichen Kampf hat er den Skalp seines Feindes mitgenommen.“
    „Wo hat dieser Kampf stattgefunden? Sagen Sie schnell, wo!“ bat Anciano im Ton außerordentlicher Erregung.
    „In der südlichen Pampa. Das war alles, was ich erfahren konnte.“
    „Da unten? Da ist es freilich anders, als ich dachte.“
    Er atmete bei diesen Worten hörbar und wie erleichtert auf. Sein Gesicht nahm wieder den Ausdruck der Gleichgültigkeit an, veränderte sich aber sofort wieder, als der Leutnant bemerkte: „Das Haar war wirklich prächtig, schöner noch als das Ihrige. Es wurde von einer Spange zusammengehalten, und der, welcher es getragen hat, muß ein sehr alter und wohl auch armer Mann gewesen sein.“
    „Von einer Spange?“ rief Anciano aus, indem er eine Bewegung der Überraschung machte. „Wie sah diese Spange aus? Und warum glauben Sie, daß der Mann arm gewesen ist?“
    „Weil sie von Eisen war, während ein wohlhabender Mann doch, wenn er sich solcher Zieraten bedient, solche von wertvollerem Metall wählt. Die Spange hatte an ihrer vorderen Seite die Form einer Sonne mit zwölf Strahlen.“
    „Zwölf Strahlen!“ schrie Anciano förmlich, indem er aufsprang. „Señor, diese Spange war nicht aus Eisen, sondern von reinstem Gold. Der Besitzer hatte sie aber künstlich geschwärzt, um nicht die Habsucht anderer zu erwecken.“
    „Woher wissen Sie das? Haben Sie den Mann gekannt, welchem dieser Schmuck gehörte?“
    „Ob ich ihn gekannt habe! Er war mein Gebieter, ein Herrscher über –“
    Er

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