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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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anderen herabzusetzen; dieser aber antwortete ihm, indem er ein kleines, ironisches Lächeln sehen ließ: „Ich gestehe Ihnen aufrichtig, daß ich allerdings nicht begreife, wie wir hier aufgerieben werden könnten. Gehören wirklich so bedeutende militärische Kenntnisse dazu, dies zu wissen?“
    „Eben ganz und gar nicht. Der gewöhnliche Mensch muß es einsehen.“
    „So habe ich vielleicht den großen Fehler, kein gewöhnlicher Mensch zu sein. Haben Sie also die Güte, meinem mangelhaften Begriffsvermögen zu Hilfe zu kommen!“
    Der Leutnant, welcher die Ironie nicht übersah, meinte in halb zorniger und halb überlegener Weise: „Wenn wir uns hier im Tal aufstellen, sind wir von den ringsum liegenden Höhen eingeengt, und werden, wenn der Feind hereindringt, erliegen müssen.“
    „So! Das begreife ich noch immer nicht. Wir müssen erliegen, wenn der Feind hereindringt. Wenn! Merken Sie wohl: Wenn! Kann er denn herein? Der Zugang zum Tal ist, wie Sie sehen, nur so breit, daß ihn höchstens sechs oder sieben Menschen nebeneinander passieren können. Außerdem stehen da Bäume, hinter welche wir uns stecken können, um nicht von den feindlichen Kugeln oder Pfeilen getroffen zu werden. Wenn wir nur fünfzig wackere Kerls da stehen haben, so kann kein Feind herein, und wenn er tausend Mann stark sein sollte. Sehen Sie das nicht ein?“
    Der Offizier antwortete nicht. Darum fuhr der Vater Jaguar fort: „Sie sagen, wir seien von den Höhen eingeengt. Diese Höhen treten wohl auseinander, wenn der Feind hereinkommt! Oder ist es nicht so, daß er ebenso eingeengt sein würde wie wir? Dazu käme, daß stets derjenige im Vorteil ist, welcher den Posten zuerst besetzt hat. Sind Sie noch immer der Meinung, daß man Taktik und Strategie studiert haben muß?“
    Verano zuckte nur die Achseln, da er doch nicht zugeben wollte, daß er unrecht gehabt hatte.
    „Übrigens“, fügte der Vater Jaguar hinzu, „ist es gar nicht meine Absicht, dem Feind den Eintritt in dieses Tal streitig zu machen. Ich will es vielmehr haben, daß er hereinkommt.“
    „Aber warum denn nur!“ fuhr der Offizier ungeduldig auf. „Das würde doch heißen, uns ihm in die Hände zu liefern.“
    „Nein, sondern ihn in die unsrigen. Jetzt scheinen Sie es zu sein, welcher der Laie ist. Haben Sie wohl eine Ahnung, wann die Aripones ungefähr in dieser Gegend eintreffen werden?“
    „Das kann niemand wissen.“
    „Warum nicht? Es ist leicht zu erraten. Die Weißen, mit denen wir zusammengetroffen sind, haben Soldaten nach dem Palmensee bestellt. Sie werden nicht viel früher und nicht viel später dort eintreffen als diese. Das liegt in der Natur der Sache. Sie sind, um ihre Spur für uns unsichtbar zu machen, über den Rio Salado zurückgegangen. Diese Absicht zu erreichen, brauchen sie zwei Tage. Wenn sie dann ebenso rasch reiten, wie wir geritten sind, haben wir zwei Tage Vorsprung. Nehmen wir an, daß sie einen Tag brauchen, um sich auszuruhen, die mobilen Indianer zu sammeln und Beratung zu halten, so ergibt sich noch ein dritter Tag. Wir haben drei Tage bis hierher gebraucht, weil wir gut beritten sind und Pferde im Überfluß haben. Den Aripones aber fehlen die Pferde. Ihre Mannschaften werden aus Kavallerie und Fußtruppen bestehen; darum brauchen sie wenigstens vier Tage bis hierher. Wir haben also den Feind frühestens in vier Tagen, von heute an gerechnet, zu erwarten. Das ist Zeit genug, um unsere Vorbereitungen in einer Weise zu treffen, welche uns den Kampf erleichtert und den Sieg sichert.“
    „Aber es ist keine Erleichterung des Kampfes und keine Sicherung des Sieges, sondern das gerade Gegenteil, wenn wir den Feind hier zu uns hereinlassen!“
    „Aber, Señor, sehen Sie denn nicht ein, daß dies eine Falle sein soll?“
    „Eine Falle?“ fragte Verano erstaunt. „Dann wird es eine, in welcher wir uns selbst fangen.“
    Der Vater Jaguar wollte antworten, da aber fiel ihm der Doktor Morgenstern in die Rede: „Nehmen Sie es mir nicht übel, Señor Verano! Sie sind Offizier und begreifen dennoch nicht, was der Vater Jaguar meint? Das könnte scheinen, als ob Sie im Begriffe ständen, sich der Absicht zuzuneigen, diejenige Tätigkeit ihres Geistes, welche man berechtigt ist, das Denken zu nennen, etwas weniger anzustrengen, als es nach den gegenwärtigen Verhältnissen geboten erscheint. Die Falle oder der Fallstrick, um den es sich handelt, lateinisch Lagneus genannt, ist sehr leicht zu begreifen.“
    „So! Begreifen Sie ihn

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