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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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etwa?“ fragte der Offizier zornig.
    „Allerdings.“
    „So haben Sie doch die Güte, ihn mir zu erklären.“
    „Sehr gern, Señor. Ich setze den Fall, wir verstecken uns da rundum im Wald, hinter den Bäumen, lassen den Feind hierein und besetzen dann den Ein- und Ausgang des Tales, so befindet er sich in unserer Mitte und ist verloren, da er uns, die wir geschützt stehen, nicht anzugreifen vermag, während er, der keine Deckung hat, allen unseren Kugeln ausgesetzt ist. Ich hoffe, das ist Ihnen nun deutlich, lateinisch perspicuus, geworden.“
    Der Leutnant war wütend. Daß der kleine, deutsche, lächerliche Kerl es wagte, ihn zu belehren, das war viel schlimmer als alles Vorhergehende. Er rief entrüstet aus: „Was reden Sie zu mir? Habe ich Sie um Rat gefragt?“
    „Allerdings. Sie haben mich aufgefordert, es Ihnen zu erklären.“
    „Das habe ich ganz anders gemeint. Bleiben Sie mir in Zukunft mit Ihren Erklärungen vom Leib. Ich weiß genau, was ich zu tun habe!“
    „Nein, das scheinen Sie nicht zu wissen“, nahm der Vater Jaguar jetzt wieder das Wort. „Ich habe keine Lust, mich mit jemand zu streiten, und da es nicht notwendig ist, uns über den Gegenstand unseres Gespräches gleich jetzt weiter und erschöpfend zu äußeren, so schlage ich vor, weiterzureiten. Wir haben vor allen Dingen danach zu trachten, noch vor Einbruch der Nacht unser Ziel, den ‚klaren Bach‘, zu erreichen.“
    Diesen Worten zufolge wurde aufgebrochen. Der Leutnant hielt sich schmollend hinterher. Es ärgerte ihn gewaltig, daß er, der Beauftragte des Generals Mitre, eine solche Schlappe erlitten hatte.
    Der Berg, welcher, von vorn gesehen, anscheinend die Gestalt eines Kegels hatte, besaß nach rückwärts eine längere Ausdehnung. Er hatte die Form eines Kommas, dessen in einen langen Schwanz auslaufender Teil von dem schon erwähnten Bach durchflossen wurde. Dieser Bach entsprang auf der höchsten Stelle. Dann senkte sich das Terrain wieder abwärts und ging endlich in die Ebene über.
    Man hatte bisher zu beiden Seiten immer Wald gehabt, welcher auch jetzt noch nicht aufhörte, sondern sich weit in die Ebene hinein erstreckte. Er stand aber nicht mehr so dicht wie vorher, so daß man zwischen den Bäumen hindurchreiten konnte, während vorher die Ufer des Baches den Weg gebildet hatten. Das dann folgende Feld war grasig. Hier konnten die Pferde mehr ausgreifen als bisher, und so flogen sie jetzt im Galopp über den Campo hin.
    War dem kleinen Gelehrten früher das Reiten schwer geworden, so hatte er sich jetzt ganz hübsch eingerichtet und saß ganz fest im Sattel. Er ritt neben Fritze Kiesewetter, seinem treuen Diener, welcher sich womöglich stets an seiner Seite hielt.
    „Wie steht es mit dem Anzug?“ fragte er ihn. „Er ist jedenfalls noch naß, und du kannst dir leicht eine Erkältung zuziehen.“
    „Dat ist nicht!“ antwortete Fritze. „Es ist allens schon vollständig trocken, und von einer Erkältung kann keine Rede sind. Als Sie den Leutnant so schön trocken stellten, ist das Habit vor Freude auch gleich mit trocken jeworden.“
    „Aber ich hatte doch recht!“
    „Natürlich! Der Mensch scheint von seinem Fach oft und manchmal nichts zu verstehen!“
    „Aber er wird nun zornig auf mich sein!“
    „Dat ist er allerdings; ick habe es jesehen, aber wir machen uns nichts daraus. Jroße Jeister, die sich nur mit Riesentieren abjeben, bekümmern sich nicht um so kleine Menschen.“
    Der Doktor blickte nachdenklich vor sich nieder und sagte dann: „Fritze, ich werde doch wohl einen Fehler gemacht haben!“
    „Mit dem Leutnant?“
    „Nein, sondern mit dem Riesentier, mit den Knochen, welche wir da hinten an dem Sumpf gefunden haben.“
    „Wieso?“
    „Ich hätte sie nicht liegenlassen, sondern mitnehmen sollen.“
    „Warum?“
    „Weil sie mir in Verlust geraten werden. Du hast gehört, daß die Aripones hinter uns herkommen. Sie halten jedenfalls auch an dem Sumpf an, und dann ist's jedenfalls um die schönen Knochen geschehen.“
    „Dat ist mich unwahrscheinlich. Wat wollen die Aripones mit die Knochen machen?“
    „Diese nicht, aber die Weißen, welche bei ihnen sind.“
    „Hm! Meinen Sie?“
    „Ja. Die Soldaten wissen, daß solche Knochen für die Wissenschaft einen großen Wert besitzen, und werden sie mitnehmen.“
    „Nein, dat werden sie nicht; da kann ick Ihnen trösten. Selbst wenn sie die Absicht hätten, sie mitzunehmen, würden sie sie doch einstweilen liejenlassen, um sie dann erst

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