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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auf diese Frage eine Antwort zu geben, und so fuhr er fort: „Wir hängen euch an den Ästen auf, welche da über das Wasser ragen, und machen die Riemen so lang, daß die Krokodile euch mit den Zähnen erreichen können. Auf diese Weise werdet ihr gehängt und gefressen zu gleicher Zeit.“
    Die beiden Deutschen überlief ein Schauder, und doch war die Todesart einem ihrer Feinde nicht schrecklich genug, nämlich Antonio Perillo, dem Stierkämpfer. Dieser stand neben dem Gambusino und sagte: „Das ist nichts, gar nichts für diese Halunken! Dieser Mensch, welcher vorgibt, ein Deutscher zu sein, ist meiner Kugel entgangen; dann gelang es ihm, aus unserer Gefangenschaft zu entrinnen. Er hat uns also schon zweimal um das Schauspiel, ihn sterben zu sehen, betrogen, und dafür soll er uns heute entschädigen. Wenn wir ihn wirklich und regelrecht hängen, so ist er in einigen Augenblicken tot. Was nützt es da, wenn ihn dann die Krokodile fressen? Die Kerls müssen viel, viel länger in Todesangst schweben!“
    „Was willst du denn da vorschlagen?“ fragte der Gambusino.
    „Wir hängen sie auf, ja; aber nicht am Hals, sondern unter den Armen, und lassen sie so tief herab, daß sie von den Krokodilen beinahe erreicht werden, nicht ganz, sondern beinahe. Welche Lust, wie sie zappeln werden, wenn die Bestien nach ihnen schnappen.“
    „Aber wenn sie dabei noch zu hoch hängen, werden sie doch nicht zerrissen!“
    „Einstweilen, einstweilen nur“, lachte der Stierkämpfer. „Erst stehen sie die Angst des Todes aus, und dann, wenn wir ein Ende machen wollen, lassen wir sie an den Riemen tiefer herunter.“
    Dieser Vorschlag fand allgemeinen Beifall, und man schickte sich an, die nötigen Vorbereitungen zu treffen.
    „Gräßlich!“ flüsterte der Doktor seinem Diener zu. „Sind das Menschen? Da wollte ich doch lieber, sie würfen uns den Krokodilen sofort vor!“
    „Nein“, antwortete Fritze, „denn da wäre es sogleich um uns jeschehen; so aber jewinnen wir Zeit. Nur Mut, Herr Doktor, nur Mut! Ick bin überzeugt, daß der Vater Jaguar uns nicht im Stich lassen wird. Jrad diese ausjesuchte Jrausamkeit wird unsere Rettung sind. Darauf können Sie Ihnen verlassen!“
    Es war mittlerweile dunkel geworden, und das lodernde Feuer warf flackernde Schatten auf die Büsche und das Geschilf und blutrote Lichter auf die Fläche des sumpfigen Wassers, aus welchem man die Köpfe oder Schnauzen der Krokodile hervorragen sah. Man holte vier Lassos, von denen je zwei fest zusammengebunden wurden. Dann kletterten zwei Indianer auf den Baum, jeder auf einen anderen starken Ast, um die Lassos da so anzubringen, daß sie sich in einer Astgabel wie auf einer laufenden Rolle bewegten. Dann kamen sie, die Enden der Lassos festhaltend, wieder herunter.
    Hierauf wurden die Gefangenen von den Bäumen, an die man sie gefesselt hatte, losgemacht. Man band ihnen die Hände auf den Rücken und zog ihnen dann das eine, äußere Ende des Lassos unter den Armen durch, um es ihnen auf dem Rücken festzuknebeln. Dann wurden die anderen Enden von mehreren kräftigen Männern angezogen und, als die Gefangenen in der Luft schwebten, an dem Stamm des Baumes festgeschlungen.
    Da die beiden Äste über das Wasser ragten, so hingen die beiden Gefangenen natürlich auch über demselben. Sie schwangen an den Lassos hin und her, und dadurch wurden die in der Nähe befindlichen Krokodile herbeigelockt, um mit lautem Zusammenschlagen der Kinnladen nach ihnen zu schnappen.
    Man hatte, dem Vorschlag des Stierfechters gemäß, die Lassos so weit angezogen, daß die Tiere die Füße der Gefangenen nicht ganz erreichen konnten; dennoch warfen die letzteren, so oft sich ein Rachen unter ihnen öffnete, die Beine krampfhaft empor, so daß sie nicht still hingen, sondern sich an den Riemen immer in schleudernder Bewegung befanden. Es konnte sich eins der Tiere doch einmal so hoch emporschnellen, daß es mit den Zähnen sein Ziel erreichte. Falls ein Lasso riß, so war der an demselben Hängende verloren; es war ihm gewiß, augenblicklich zerfleischt zu werden.
    Die Stimmung, in welcher sich die beiden Deutschen, wenn in einer solchen Lage überhaupt von einer Stimmung die Rede sein kann, befanden, läßt sich natürlich nicht beschreiben. Ob sie still waren oder schrieen, das konnte man nicht sagen, denn die Indianer stießen ein Freudengeheul aus, welches jeden anderen Ton oder Laut unhörbar machte, und die Weißen stimmten in dasselbe ein. Wollte dieses Heulen je

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