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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welcher den Führer machte, trieb zu noch größerer Eile an. Droben in den Lüften schwebte ein Kondor. Der Arriero deutete zu ihm empor und sagte: „Der sucht sein Nest auf; tun auch wir dasselbe, denn ehe eine halbe Stunde vergangen ist, wird es dunkel sein.“
    „Ist denn der gesuchte Pfad noch nicht bald erreicht“, fragte Engelhardt.
    „In wenigen Minuten werden wir dort sein.“
    „Und der Ort, an welchem wir übernachten wollen?“
    „Ist dann auch nicht weit. Nur liegt er leider nicht nach Süden, der Seite, nach welcher wir morgen reiten werden, sondern nach Norden, was wieder einen Zeitverlust ergibt.“
    „Also nach der Salina del Condor zu?“
    „Ja.“
    „So werden wir keinen Zeitverlust haben, denn ich werde morgen früh nicht direkt nach Salta zu aufbrechen, sondern vorher nach der Salina reiten.“
    „Warum, Señor? Bedenken Sie, welchen Umweg Sie da machen! Sie müssen einen guten Grund dazu haben, wenn ich nicht davon abraten soll.“
    „Der Grund ist der stichhaltigste, den es nur geben kann. Nämlich mein Sohn, den ich in Buenos Aires zu sehen glaubte, befindet sich hier an der Salina del Condor. Warum, das werden Sie noch erfahren.“
    „So stimme ich bei, denn so eine Ursache muß ich gelten lassen.“
    Nur einige Minuten später gelangte man auf einen ebenen sandigen Plan, welcher halb durchquert wurde. Dann hielt der Führer an, deutete auf den Boden nieder und sagte dann: „Señores, sehen Sie die Spuren hier im Sand? Sie sind alt und auch schon halb verweht, kaum mehr zu erkennen. Das ist der Weg nach der Salina. Wir werden ihm noch eine Strecke folgen, aber schnell. Der Weg ist gut; treiben wir unsere Tiere an!“
    Er setzte sein Maultier in Galopp, und die anderen taten mit den ihrigen dasselbe. Sie flogen rasch über den Plan und dann am Fuße eines Berges hin, dessen Seite aus tief zerklüfteten Felsen bestand. Dann parierte der Arriero sein Tier, deutete auf eine breite, aber nicht sehr hohe Öffnung im Gestein und sagte: „Hier ist der Ort, an welchem wir übernachten werden, Señores, eine Art Höhle, welche zwei Eingänge hat. Der Wind trifft hier nicht an, und wenn wir ein Feuer anzünden und uns in unsere Decken hüllen, werden wir gerade so gut und angenehm schlafen, als ob wir uns im Innern eines Rancho befänden.“
    Man stieg ab, um die Höhle zu untersuchen. Sie hatte keinen Hintergrund, sondern bestand aus zwei ungefähr zwanzig Schritt voneinander in der Felsenwand befindlichen Eingängen oder Öffnungen, welche durch einen nach innen gebogenen leeren Raum verbunden waren. Sie besaß also ungefähr die Gestalt eines Halbringes, dessen Enden sich nach außen öffneten. Vor der Höhle wuchs niedriges, aber dichtes Punagras, welches den Maultieren eine vortreffliche Weide bot. Man schirrte sie ab und fesselte ihnen die Beine in der Weise, daß sie zwar frei grasen, aber sich nicht weit entfernen konnten.
    Die kurze Zeit des noch übrigen Tageslichtes wurde benutzt, die Höhle zum Lager einzurichten, indem man die Recadosättel aufschlug, damit sie als Bettstellen dienen sollten. Als die Decken darüber gebreitet worden waren, bildeten sie Lagerstätten, die man sich in dieser Wildnis gar nicht besser wünschen konnte. Als man dann die Satteltaschen geöffnet hatte, um zu den in denselben befindlichen Vorräten zu gelangen, war es dunkel geworden, und das Feuer wurde angebrannt. Es war unterwegs so viel Material für dasselbe gesammelt worden, daß es einige Stunden brennen konnte.
    Nun wurde zunächst gegessen, und als dies vorüber war, brannten sich die Männer Zigaretten an, welche der Doktor aus Salta mitgebracht hatte und von denen auch Engelhardt noch einen kleinen Vorrat besaß. An der einen Seite des Feuers, welches natürlich in der Höhle brannte, saßen die beiden Arrieros und der Peon, welche spanisch miteinander sprachen, auf der anderen die drei Deutschen, die sich ihrer Muttersprache bedienten, denn der vorsichtige Fritze hielt es für geraten, zunächst nur Engelhardt wissen zu lassen, was im Lauf der letzten Zeit geschehen war und was nun infolgedessen droben an der Salina und in der Mordschlucht geschehen sollte. Er und der Doktor erzählten dem Bankier abwechselnd, was sich seit jenem Tage in Buenos Aires ereignet hatte, und es ist selbstverständlich, daß Engelhardt ein Zuhörer war, welcher dem Bericht das allergrößte Interesse schenkte. Einen Wächter draußen auszustellen, daran dachte keiner. Wäre der Vater Jaguar mit hier gewesen, er

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