36 - Das Vermächtnis des Inka
Kreide.“
„Und Säugetiere?“ fragte der Gelehrte erwartungsvoll.
„Im obersten Trias findet man schon Beuteltiere, den ersten Vogel im oberen Jura; im Tertiär aber spielen sie die leitende Rolle, welche vorher den Reptilien zukam.“
„Und der Mensch?“
„Dieser erscheint frühestens in der jungtertiären Zeit.“
Da tat der Kleine vor Freude einen Luftsprung und rief aus: „Sollte man so etwas für möglich halten! Und gar hier in Buenos Aires! Sie sind ja wahrhaftig der reine Professor Giebel, der ein berühmtes Handbuch über die Fauna der Vorwelt geschrieben hat! Setzen Sie sich, setzen Sie sich schnell! Ich muß Ihnen einige sehr wichtige zoopaläontologische Fragen vorlegen. Warum ist der Schwanz bei allen Fischen bis in die Jurazeit hinauf heterocerk wie jetzt noch bei den Rochen und Haien? Warum traten die echten Ammoniten, die im oberen Jura und in der unteren Kreide zur höchsten Entfaltung gelangen, im alpinen Trias so vereinzelt auf? Findet da eine Epakme statt oder nicht? Aus welchem Grund rechnen Sie Nautilus und Lingula zu den Dauertypen, und wie wollen Sie auf eine Differenzierung der Tierwelt hinweisen, wenn man Ihnen sagt, daß – – –“
„Válgame Dios – Gott stehe mir bei!“ unterbrach ihn der Bankier, indem er sich die beiden Hände an die Ohren legte. „Señores, ich bitte Sie, zu bedenken, daß Sie sich nicht in der vorsündflutlichen Kreide, sondern hier bei mir befinden, der ich von solchen Dingen leider nicht das mindeste verstehe. Haben Sie die Gnade, dieses Thema, welches ja ganz interessant sein mag, für später aufzusparen. Ich würde Ihnen das sehr, sehr hoch anrechnen.“
Der Vater Jaguar erklärte sich lachend einverstanden; dem Kleinen aber war es ganz und gar nicht lieb, daß er abbrechen mußte. Man sprach wohl noch eine Viertelstunde lang von verschiedenem, und dann wollte Hammer aufbrechen. Er sagte erst jetzt, daß seine drei Kameraden auf der Straße auf ihn warteten, da er nicht geahnt habe, daß er sich hier solange verweilen werde. Der Bankier ließ ihn aber nicht fort, sondern eilte hinaus, um die drei Männer selbst herbeizuholen. Sie kamen; ein Diener brachte Wein, und die Unterhaltung wurde nun viel lebhafter, als sie vorher gewesen war.
Der Vater Jaguar behandelte seine Gefährten mit freundschaftlicher Vertraulichkeit; sie aber wagten nicht, eine solche Vertraulichkeit auch ihrerseits zu zeigen. Man sah und hörte aus allem, was sie sagten und wie sie es sagten, daß sie ihn als hoch über sich stehend anerkannten und einen großen Respekt vor ihm hatten.
Da nicht von Dank gesprochen werden sollte, hatte man es bisher vermieden, das heutige Stiergefecht zu erwähnen, doch war es nicht zu umgehen, daß das Gespräch später dennoch darauf kam. Dr. Morgenstern war es, welcher es zuerst in Erwähnung brachte, um einige kulturhistorische Bemerkungen daran zu knüpfen. Er sprach von den römischen Gladiatoren und nahm dabei Gelegenheit, dem Vater Jaguar das Kompliment zu machen: „Sie wären jedenfalls ein ausgezeichneter Forumkämpfer gewesen, Señor, und hätten sowohl unter den Retiarii, Belites und Secutores als auch unter den Galli, Thraces und Hoplomachi Großes geleistet. Es ist wirklich jammerschade, daß Sie nicht schon damals gelebt haben!“
„Warum jammerschade?“ fragte Hammer still belustigt.
„Weil Sie dann jedenfalls in Friedländers ‚Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms‘ und in Marquardts ‚Römische Staatsverwaltung‘ auf das rühmlichste erwähnt worden wären.“
„Ich danke, Señor. Hätte ich damals gelebt, so wäre ich schon über tausend Jahre tot. Lieber ist mir's, daß ich lebe und in den Büchern dieser beiden Herren nicht erwähnt werde.“
„Mag sein! Aber der Erwähnung werden Sie auf keinen Fall entgehen. Sie werden in den Werken über die Stiergefechte als einer der größten Toreadores angeführt werden. Wie ist es Ihnen nur möglich gewesen, diesen gräßlichen Bison americanus mit einem einzigen Messerstich zu erlegen?“
„Das ist nur eine Folge der Übung. Ich habe schon viele Büffel auf dieselbe Weise getötet.“
„Ich denke, es gibt hier in Argentinien keine Bisons. Oder hätte sich die Wissenschaft, die sonst untrüglich ist, einmal geirrt?“
„Sie irrt sich nicht. Ich habe die Büffel, von denen ich sprach, in den Vereinigten Staaten erlegt.“
„In den Vereinigten Staaten! Ah, da muß ich Sie sogleich fragen, ob Sie die berühmte Mammuthöhle in Kentucky kennen und
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