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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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will nach Peru hinüber. Möchtest du mit ihm gehen?“
    „Mit keinem so gern wie mit ihm!“ antwortete der Knabe sofort und in freudigem Ton.
    Es war wirklich ein ungewöhnlich starker und auch hübscher Junge. Sein von der Sonne bräunlich gefärbtes Gesicht hatte charakteristische Züge, welche auf selbständiges Denken und Handeln schließen ließen. Sein Haar war dunkel, aber das Blau seiner Augen und der ehrliche, offene Blick derselben ließen die germanische Abstammung deutlich erkennen. Er selbst schien dem Vater Jaguar ebensosehr wie seine Antwort zu gefallen, denn dieser streckte ihm die Hand entgegen, zog ihn näher zu sich heran, strich ihm liebkosend über den Kopf und sagte: „Also gern würden Sie mitgehen? Aber die Anstrengungen, das lange Reiten!“
    „Oh, das halte ich nicht nur aus, sondern ich habe es sogar sehr gern.“
    „Und der Weg durch den fürchterlichen Gran Chaco, die Jaguare und die Indianer?“
    „Die fürchte ich nicht. Ich weiß mein Gewehr und mein Messer zu führen“, antwortete der Knabe, indem seine Augen blitzten und seine Wangen sich röteten.
    „So! Also mutig ist man. Was hat man denn sonst gelernt, mein verwegener, junger Señor?“
    Bei dieser Frage bemächtigte sich des Jünglings eine kleine, sichtbare Verlegenheit; er antwortete aber, sie schnell überwindend: „Ich weiß gar wohl, Señor, daß die Knaben meines Alters drüben in Deutschland schneller vorwärtsschreiten und ihre Ziele leichter erreichen als wir, da sie bessere Schulen und Lehrer haben. Aber ich besuche das Institut für Kunst und Gewerbe, da ich der Nachfolger meines Onkels werden soll; Vater hält mir und dem Bruder einen deutschen Hauslehrer und später werde ich eine deutsche Universität besuchen. Wollen Sie mich examinieren, so will ich sehr gern antworten.“
    „Das will mir wohl gefallen, denn so spricht keiner, welcher der Letzte auf der Schulbank ist. Zum Examinator bin ich nicht berufen; aber für den Ritt über die Pampas und die Anden würden Sie wohl gute Lehrer an uns haben. Und ein Deutscher sind Sie! Aber freilich wohl nur der Abstammung nach?“
    „Nein, Señor, sondern mit meinem ganzen Herzen. Ich bin nicht drüben geboren, halte aber doch das schöne Deutschland für mein Vaterland. Um ein Deutscher, und zwar ein ganzer Deutscher zu sein, braucht man nicht drüben zu wohnen, denn Alldeutschland ist an jedem Ort, da wo die deutsche Zunge klingt und Gott im Himmel Lieder singt.“
    Er hatte dies aus vollstem Herzen gesagt. Der kleine, rote Privatgelehrte sprang begeistert auf, breitete die Arme aus und rief: „Ja, wo des Deutschen Zunge klingt und Gott im Himmel Lieder singt! Das Lied ist gedichtet von Ernst Moritz Arndt, am 26. Dezember 1769 in Schoritz auf Rügen geboren und am 29. Januar 1860 in Bonn gestorben. Komponiert wurde es von vielen Tonsetzern. Meine Lieblingsmelodie ist diejenige von Heinrich Marschner, für vierstimmigen Männerchor in C-Dur gesetzt. Ich bin Mitglied des Jüterbogker Gesangvereins ‚Deutsche Lyra‘ und singe ersten Baß, vom großen As bis zum eingestrichenen e hinauf und habe bei Konzerten die Noten auszugeben, da ich Bücherwart des Vereins bin, hurra! ‚Was ist des Deutschen Vaterland? Allüberall wird es genannt. O Gott vom Himmel sieh darein: Der ganze Erdkreis wird's noch sein!‘ So ungefähr wird's wohl lauten, denn auswendig kann ich es nicht, da es keine vorsündflutliche Ausgrabung ist.“
    Die Begeisterung des Kleinen nahm sich höchst possierlich aus und doch war sie ernsthaft gemeint. Der Vater Jaguar nickte dem Knaben freundlich zu und sagte: „Recht so, mein lieber Señorito! (Kleiner Herr, Herrchen.) Es geht auch älteren Leuten, als Sie sind, das Herz auf, wenn vom heiligen Vaterland die Rede ist. Sie scheinen ein braver Knabe zu sein, und so will ich es mir überlegen, ob es möglich sein wird, den Wunsch Ihres Oheims zu erfüllen.“
    „Tun Sie es, Señor, tun Sie es!“ bat der Knabe. „Ich werde Ihnen gern gehorchen und mich in alles schicken.“
    „Ja, tun Sie es!“ bat auch der Bankier. „Sie erweisen mir damit einen großen, sehr großen Dienst.“
    „Es kommt nicht nur auf mich, sondern auch auf meine Gefährten an“, antwortete der Vater Jaguar. „Wir werden uns besprechen. Bange dürfen Sie um den Knaben nicht sein, denn von Santa Fé aus, wo der Ritt beginnen würde, sind wir vierundzwanzig Mann, von denen kein einziger sich vor dem Schlimmsten fürchtet. Freilich würde die Reise anders, besonders

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