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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Posada sah freilich gar nicht einladend aus. Das Gebäude bestand aus gestampfter Erde und hatte nur ein Erdgeschoß mit einer breiten, niedrigen Tür und zwei Öffnungen, in denen keine Fenster waren. Nebenan gab es einen von einer Mauer umgebenen Hof, in welchem man Pferde stampfen und wiehern hörte.
    „Da hinein?“ fragte der Doktor, indem er ein bedenkliches Gesicht zog.
    „Ja“, antwortete Fritze.
    „Es sieht aber genau wie eine Spelunke aus!“
    „Det schadet nichts, wenn wir nur nicht wieder herausjeworfen werden, hier ist alles Spelunke. Also man wieder rin ins Vergnüjen.“
    Als sie eingetreten waren, sahen sie, daß das Innere dieses Gasthauses aus nur einem Zimmer bestand. Tische und Stühle gab es nicht, dafür aber mehrere Hängematten und niedrige Schemel. Auf einem derselben saß der Wirt, ein hagerer, schmutziger Mensch, welcher sich erhob und unter tiefen Verneigungen nach den Wünschen der Señores fragte. Fritze warf sein Bündel auf den Boden, der aus gestampftem Lehm bestand, und antwortete an Stelle seines Herrn: „Können Sie uns vier Pferde, zwei Reit- und zwei Packsättel verschaffen?“
    „Mieten?“
    „Nein, kaufen.“
    „Wohin wollen Sie?“
    „Nach dem Gran Chaco, nach Tucuman, vielleicht noch weiter.“
    „Ich habe sehr feine Pferde zum Verkauf. Bemühen sich Euer Gnaden mit in den Hof!“
    Er öffnete eine Seitentür, welche in den Hof führte. Die beiden folgten ihm hinaus. In einer der Hängematten hatte ein Mann gelegen, den sie gar nicht beachteten. Als dieser von dem Pferdehandel hörte, sprang er aus der Matte und folgte ihnen. Draußen standen zwölf abgetriebene und halbverhungerte Gäule, deren Aussehen ein so verkümmertes war, daß selbst der Doktor, obgleich er nichts von Pferden verstand, kopfschüttelnd meinte: „Das sollen Pferde sein? Ich würde so ein Tier viel eher für das halten, was der Lateiner Caper oder Hircus nennt.“
    „Was ist das, Señor?“ fragte der Wirt.
    „Ein Ziegenbock.“
    „So sind wir fertig. Meine Pferde sind keine Ziegenböcke.“
    Er wendete sich stolz ab, um in die Stube zurückzukehren. Da stand der Gast, welcher in der Hängematte gelegen hatte. Dieser betrachtete die beiden Kleinen mit neugierigen Augen, während sie ihn mit derselben Neugierde ansahen. Er war ebenso rot gekleidet wie sie, trug aber lange Stiefel, deren Schäfte seine Oberschenkel bedeckten. Sein Gesicht war so bärtig, daß man von demselben nur die Nase und die Augen sah. Sein Haar hing unter dem Hut, welcher auf dem schon beschriebenen Kopftuch saß, lang bis auf den Rücken herab. Dennoch machte er den Eindruck eines Menschen, vor dem man sich nicht zu hüten brauchte. Er verbeugte sich und sagte: „Señores, ich höre, daß Euer Gnaden nach dem Gran Chaco wollen, und kann Ihnen vielleicht mit einem Rat dienen. Wo kommen Sie her?“
    „Von Buenos Aires.“
    „Wohnen Sie dort?“
    „Nein. Ich bin fremd im Land.“
    „Ein Fremder? Wo haben Sie Ihre Heimat?“
    „In Deutschland.“
    „Also ein Deutscher! Und was sind Sie? Nehmen Sie mir meine Fragen nicht übel! Ich habe eine gute Absicht dabei.“
    „Ich bin Privatgelehrter, ein Zoologe, und will nach dem Gran Chaco, um dort vorweltliche Tiere auszugraben.“
    „Ah! Vielleicht ein Mastodon?“
    „Hoffentlich!“
    „Oder ein Megatherium?“
    „Sie kennen die Namen dieser Tiere?“
    „Natürlich! Ich bin ein Kollege von Ihnen.“
    „Was? Auch ein Gelehrter?“ fragte Morgenstern verwundert, denn dieser Mann sah wie ein echter Gaucho, nicht aber wie ein Gelehrter aus.
    „Allerdings bin ich einer“, antwortete er stolz, indem er sich an die Brust schlug.
    „Wohl auch Zoologe?“
    „Auch, denn ich habe alles studiert. Eigentlich aber bin ich Cirujano (Chirurg), wenn Euer Gnaden gestatten.“
    „Also ein Arzt!“
    „Ja. Ich erlaube mir, mich Euer Gnaden vorzustellen. Man kennt mich überall, und Sie werden nur deshalb, weil Sie fremd sind, meinen berühmten Namen noch nicht gehört haben. Ich bin nämlich Doktor Parmesan Rui el Iberio de Sargunna y Castelguardiante.“
    „Danke! Ich heiße Doktor Morgenstern, und der Name meines Dieners ist Kiesewetter.“
    „Zwei schöne Namen, doch darf ich wohl behaupten, daß der meinige wohlklingender ist und sich auch viel leichter aussprechen läßt. Ich bin einer altkastilianischen Adelsfamilie entsprossen. Was sagen Sie zu einer Amputation des ganzen Beines, und zwar in der Weise, daß man erst die Weichteile abschneidet und dann den Kopf des

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