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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hier sofort ein Pferd kaufen, um ihnen nachzureiten; aber in dieser Stadt findet man kein brauchbares Tier. Darum warte ich lieber bis morgen früh, wo ich ein gutes bekomme und nicht Gefahr laufe, es unter mir zusammenbrechen zu sehen.“
    Doktor Morgenstern hatte ein gelindes Grauen vor diesem Manne gefühlt, der ‚alles, alles heruntersäbelte‘; jetzt aber freute er sich, ihn getroffen zu haben. Darum fragte er: „Sie glauben, daß Sie den Vater Jaguar noch einholen werden?“
    „Natürlich! Ich kenne die Route, welche er einschlägt, ganz genau.“
    „Das freut mich außerordentlich. Würden Sie uns die Erlaubnis, lateinisch Concessio, erteilen, uns Ihnen anzuschließen?“
    „Herzlich gern, Señor, da wir beide Jünger der Wissenschaft, also Kollegen sind und ich mich darauf freue, doch vielleicht eine Gelegenheit zu finden, Ihnen zeigen zu können, daß ich mich selbst vor der schwierigsten Amputation nicht fürchte. Hoffentlich stoßen wir mit feindlichen Indianern zusammen; ich nehme natürlich mit Bestimmtheit an, daß dabei einigen von uns mehrere Glieder zerschmettert werden; dann sollen Sie sehen, wie ich meines Amtes walten werde. Das wird nur so fliegen, denn ich säble wirklich alles, alles herunter!“
    Er fuhr dabei mit beiden Armen und in einer eigenartigen Weise durch die Luft, um anzudeuten, daß die Knochen und Fleischfetzen ‚nur so fliegen‘ würden. Dieser Mann schien dem blutigen Teil seines Berufes mit außerordentlicher Leidenschaft anzuhängen. Trotzdem fühlte sich Morgenstern jetzt nicht mehr dadurch zurückgestoßen oder gar, wie vorher, eingeschüchtert. Er begann zu ahnen, daß er es hier mit einer zwar krankhaften, doch ganz ungefährlichen Idee zu tun habe. Darum antwortete er lächelnd: „So bin ich bereit, mit Ihnen bis morgen zu warten. Aber was tun wir bis dahin? Und wo halten wir uns auf?“
    „Wir reiten nach der Estancia, wo man uns gastfreundlich aufnehmen wird. Dort essen, trinken, rauchen und schlafen wir. Das ist mehr Beschäftigung, als wir brauchen, um uns zu langweilen. Sie rauchen doch auch, Señor?“
    „Nein.“
    „Welch ein Wunder! Hier raucht alles, Mann und Weib, Kind und Kegel. Warum Sie nicht?“
    „Weil ich eine Nikotinvergiftung befürchte. Hat doch die Wissenschaft nachgewiesen, daß man vom vielen Rauchen den schwarzen Star, Amaurosis genannt, bekommen kann.“
    „Da müßte man die Zigaretten nicht rauchen, sondern scheffelweise hinunterschlingen. Und selbst da kämen sie doch nur in den Magen, nicht aber in die Augen. Ich könnte ohne das Rauchen nicht existieren. Es regt die Nerven an, erhöht die Lebenskraft, begeistert den Menschen für alles Gute und Schöne und gibt eine so sichere Hand, daß man selbst die schwerste und komplizierteste Amputation mit Leichtigkeit auszuführen vermag. Haben Sie hier in Santa Fé noch viel zu schaffen, oder können wir bald aufbrechen?“
    Morgenstern erzählte ihm in kurzen Worten das hier erlebte Abenteuer und sagte ihm, daß er nur noch seiner Bücher bedürfe, um reisefertig zu sein.
    „Die werde ich Ihnen sofort holen, Señor“, meinte ‚Doktor‘ Parmesan.
    „Sie? Damit darf ich Sie doch unmöglich belästigen, Señor.“
    „Warum nicht? Zahlen Sie mir zwei Papiertaler, so tue ich es gern. Übrigens bin ich den Soldaten und Offizieren bekannt. Man wird keinem anderen Ihre Bücher so gewiß übergeben wie mir.“
    Also dieser Mann mit dem langen und wohlklingenden altkastilianischen Namen, der sich ‚Doktor‘ nannte, war bereit, für zwei Papiertaler, also für zweiunddreißig deutsche Pfennig, Gepäckträgerdienste zu leisten! Als er von Morgenstern diesen Betrag erhalten hatte, ging er fort und brachte schon nach kurzer Zeit die Bücher getragen. Dann entfernte er sich abermals, um Papier und Tabak zu Zigaretten einzukaufen. Er nahm zu diesem Zweck einen Ledersack mit, den er gefüllt zurückbrachte. Er hatte ganz richtig gesagt, daß hier jeder rauche. Man wird in der Pampa selten einen Menschen sehen, der nicht eine selbstgedrehte Zigarette im Mund hat.
    Der Wirt war gern bereit, gegen geringe Bezahlung Pferde und einen Peon herzuleihen. Eins dieser Tiere bekam Morgensterns Pakete zu tragen; dann stiegen die Männer auf, um nach der Estancia zu reiten. Als sie langsam durch die erste Gasse kamen, standen einige Kinder da beisammen; sie sahen den Chirurgen und rannten augenblicklich in das nächste Haus, indem sie schrieen: „El carnicero, el carnicero! Huid, huid, de la contrario os

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