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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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einer Herde in die Korrals nennt, war im vollsten Gange. Die Masse der Rinder hielt eingeschüchtert im hinteren Teil des umzäunten Platzes; das Jungvieh aber, welches gezeichnet werden sollte, jagte, von den Gauchos verfolgt, auf dem freien Raum umher. Jedes Rind, welchem die Marke aufgebrannt werden sollte, mußte eingefangen und so gefesselt werden, daß es keinen Widerstand zu leisten vermochte. Dazu gehörten, wie es hier auf dieser Estancia gehandhabt wurde, fünf Gauchos. Andere waren beschäftigt, ein Feuer zu unterhalten, in welchem die Stempel glühend gemacht wurden.
    Der ganze Vorgang ging folgendermaßen vor sich: Das betreffende Rind wurde zunächst von den übrigen geschieden. Während es dann über den Platz rannte, jagte ihm ein Gaucho nach, um ihm den Lasso über den Kopf zu werfen. Die Schlinge zog sich stets mit unfehlbarer Sicherheit um den Hals zusammen, benahm dem Tier den Atem und riß es nieder. Sofort waren die vier anderen Gauchos bei der Hand, um ihre Schlingen um die Beine zu werfen. Die Pferde, auf denen diese fünf Reiter saßen und an deren Sattelknöpfe die Enden der Lassos befestigt waren, kannten das, was sie zu tun hatten, sehr genau; sie zogen, jedes in der betreffenden Richtung, die Lassos straff an, wodurch die Beine des Rindes scharf ausgestreckt wurden, und in diesem Augenblick sprang ein sechster Gaucho mit dem glühenden Stempel herbei, um ihn dem Tier auf den linken Oberschenkel zu drücken. War dies geschehen, so ließ man es frei; es sprang auf, rannte, vor Schmerz und Aufregung brüllend, einige Male hin und her und kehrte dann zur Herde zurück, um sich in derselben zu verstecken.
    Diese Prozedur lief nicht immer glatt ab. Zuweilen saß ein Lasso nicht an der gewünschten Stelle fest; das Tier konnte sich also bewegen und sich wehren. Dann war Hilfe oder doppelte Anstrengung notwendig, und das ging nicht ohne Rufen und Schreien, ohne Szenen ab, bei denen es einem Europäer hätte angst und bange werden mögen. Das gequälte Rind sträubte sich brüllend; die anderen stimmten ein und stoben schnaubend auseinander, um auf dem Platz umherzujagen, bis sie von den Gauchos mit hochgeschwungenen Lassos und Bolas wieder zusammengetrieben wurden. Da kam es vor, daß ein widerspenstiger Ochse sich zur Wehr setzte und der angegriffene Reiter sich nur durch Aufbietung aller seiner Geschicklichkeit zu retten vermochte.
    „Dat ist allerdings hochinteressant“, sagte Fritze nach einer solchen Szene zu seinem Herrn. „Ick habe doch auch schon zu Pferde jesessen, aber sonne Jelenkigkeit, wie hier erforderlich ist, kann ick nicht aufweisen. Ick bin überzogen, daß dat erste beste Rind mir über den Haufen rennen würde, Ihnen nicht auch, Herr Doktor?“
    „Mit mathematischer Gewißheit kann ich diese Frage nicht beantworten“, meinte bedachtsam der Doktor. „Ich habe noch keine Erfahrungen darüber, und man soll, wie die Wissenschaft lehrt, nur das behaupten, was man beweisen kann. Übrigens liegt mir an dem Beweis, daß ich umgerannt würde, bedeutend weniger als an demjenigen, daß der Wiederkäuer, welchen wir mit dem Wort Rind bezeichnen, wirklich einen so großen Widerwillen gegen die rote Farbe hat, wie vorhin behauptet wurde. Ich hoffe, du wirst mir behilflich sein, einen darauf bezüglichen Versuch anzustellen.“
    „Sehr jerne, wenn es nämlich ohne zerbrochene Gliedmaßen jeschehen kann.“
    „Ohne allen Zweifel!“
    „So? Denken Sie doch an den Büffel beim Stierjefecht!“
    „Das war ein Bison americanus, während wir es hier mit einfachen argentinischen Rindern zu tun haben. Ich beabsichtige, eine Probe zu machen, und zwar eine Doppelprobe. Wir sind beide rot gekleidet; ich nähere mich einem Ochsen, und du bemühst dich, an eine Kuh zu kommen. Auf diese Weise erfahren wir nicht nur, ob das Rind im allgemeinen die betreffende Abneigung besitzt, sondern es wird zugleich auch die besondere und sehr wichtige Frage beantwortet, bei welchem Genus diese Aversion bedeutender ist, ob beim Genus masculinum oder bei dem Genus femininum.“
    „Jut, aber wenn ick nun jrad an den böseren Genus jerate?“
    „Das steht nicht zu erwarten, da ich den Ochsen auf mich nehmen werde und jede Eigenschaft, also voraussichtlich auch dieser Widerwille, beim männlichen Geschlecht schärfer ausgeprägt ist als beim weiblichen, welches ja bekanntermaßen stets die schwächere Hälfte bildet. Also, bist du bereit?“
    „Ja ick will mir Ihnen zu Jefallen für diese zoologische Frage

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