36 - Das Vermächtnis des Inka
Kiesewetter. „Er hat vierundzwanzig Mann bei sich, und ungefähr so viele sind es gewesen, welche hier geritten sind.“
„Das ist wahr; aber der Vater Jaguar will nach dem Gran Chaco, welcher von hier aus im Norden und Nordwesten liegt, und diese Spur zeigt nach Nordosten.“
„So wird er wohl einen triftigen Grund gehabt haben, von der geraden Richtung abzuweichen. So etwas kann oft und manchmal vorkommen.“
„Hm! Euer Gnaden schlagen also vor, daß wir dieser Fährte folgen?“
„Ja. Ich denke nicht, daß ich mich irre. Der Vater Jaguar ist sicherlich nach dieser Laguna geritten. Wir haben die einzige Spur vor uns, welche es hier gibt, folglich ist sie die seinige. O, ich verstehe mich darauf, denn ich habe früher einmal eine Indianergeschichte gelesen, in welcher sehr viel von Stapfen, Spuren und Fährten die Rede war.“
Sie ritten also auch nach Nordost. Der Weg führte über einen ebenen Kamp, auf welchem nichts als Himmel und Gras zu sehen war. Die Spuren waren ganz deutlich zu sehen. Gegen Mittag fanden sie eine klare Quelle, an welcher der Trupp, den sie für denjenigen des Vaters Jaguar hielten, gelagert hatte. Sie stiegen auch ab, um endlich einmal sich satt zu trinken und dann auch ihre Pferde Wasser nehmen und ruhen zu lassen. Nach einer guten Stunde wurde wieder aufgebrochen.
Doktor Morgenstern hatte einen kleinen, aber guten Kompaß an seiner Uhrkette hängen. Diesen zu Rate ziehend, sah er, daß die Fährte eine immer mehr östliche Richtung nahm. Sie lief nicht mehr nach Nordost, sondern schon nach Ostnordost. Das fiel dem Chirurgen noch mehr auf. Er schüttelte den Kopf und sagte: „Wenn wir in dieser Weise weiterreiten, kommen wir im ganzen Leben nicht nach dem Chaco. Wenn ich mich nicht irre, so reiten wir auf diejenige Gegend des Rio Salado los, in welcher Paso de las Can oder gar Paso Quebracho liegt. Sollten wir den Vater Jaguar wirklich vor uns haben? Ich habe große Lust, umzukehren oder mich nach links zu wenden.“
„Und ich reite dorthin, wo die Spur hinzeigt“, antwortete Morgenstern. „Wo Spuren sind, da findet man Menschen; und wo Menschen sind, da gibt es etwas zu essen.“
Dieses Argument machte einen guten Eindruck auf Don Parmesan, denn er meinte, indem er zustimmend mit dem Kopf nickte: „Das ist freilich wahr. Wir werden heute vielleicht hungern müssen, denn es hat sich noch kein einziges Tier sehen lassen, diese Geier ausgenommen, die überall sind und leider nicht verzehrt werden können. Reiten wir also der Fährte nach!“
Wieder ging es weiter. Der Hunger stellte sich ein, denn das Reiten und die Luft erzeugen Appetit. Es war um die Mitte des Nachmittags, da zeigte der Chirurg mit der Hand geradeaus und sagte in leisem Tone, als ob er befürchtete, gehört zu werden: „Un avestruz, un avestruz, – ein Strauß, ein Strauß!“
Die beiden anderen blickten in die angegebene Richtung und sahen wirklich einen Strauß, welcher allerdings eine bedeutende Strecke entfernt, den Boden eifrig mit dem Schnabel bearbeitete und die Reiter nicht bemerkte, da er ihnen den Rücken zukehrte.
„Das gibt Fleisch, das gibt Fleisch!“ fuhr Don Parmesan fort. „Wir werden unseren Hunger stillen.“
„Aber erst dann, wenn wir den Vogel haben“, meinte Fritze. „Ich habe gehört, daß der Strauß sehr schwer zu jagen ist.“
„Da hat man Euer Gnaden allerdings recht berichtet. Er wird uns entgehen.“
Da legte der Doktor den Finger auf die Nase und sagte in gewichtigem Tone: „Señores, ich hab's, ich hab's! Die Wissenschaft ist's, welche dem Menschen in jeder Verlegenheit zu Hilfe kommt. Ich bin ein Jünger der Wissenschaft, speziell der Zoologie, zu welcher ja auch der Strauß gehört, und werde Ihnen ein Mittel sagen, wie wir ihn fangen können.“
„Nun? Sagen Sie es schnell“, forderte Parmesan ihn begierig auf.
„Die Wissenschaft lehrt, daß der Strauß den Kopf in die Erde steckt.“
„Davon habe ich auch gehört.“
„Auch? Nun, so kennen Sie mein Mittel.“
„Wieso?“
„Veranlassen Sie ihn, den Kopf in die Erde zu stecken, so sieht er uns nicht, und wir können über ihn kommen wie David über die Philister.“
„Señor, wollen Sie sich über mich lustig machen?“
„Fällt mir nicht ein! Ich spreche im vollen Ernst.“
„So reiten Sie doch hin, und bitten Sie ihn, den Kopf zu verstecken.“
„Das würde voraussichtlicherweise den entgegengesetzten Erfolg haben.“
„Das denke ich auch. Wie soll man ihn veranlassen, den Kopf zu
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