36 - Das Vermächtnis des Inka
Sie wirklich, daß ein Strauß auch nur eine Spur von Fett hat?“
„Ja, das meine ich. Die Wissenschaft beweist, daß in jedem tierischen Körper Fett, Adeps genannt, vorhanden ist. Da nun der Strauß einen solchen Körper besitzt, so bezweifle ich es nicht, daß wir bei einiger Aufmerksamkeit wenigstens eine bemerkbare Spur dessen finden, was ich soeben mit Adeps bezeichnet habe.“
„Und wenn Sie den schweren Vogel in dieser ‚Spur‘ von Fett braten, wird er dennoch trocken bleiben wie die Rückenlehne eines Strohsessels. Lassen wir das! Wir haben anderes zu bedenken. Was tun wir jetzt? Wir sind von unserer Fährte abgekommen. Suchen wir sie wieder auf?“
„Dazu ist's zu spät“, antwortete Fritze. „Es wird gleich Abend sein. Hier haben wir Gras für die Pferde und dort am Waldesrand Wasser für Mensch und Tier. Es wird wohl geraten sein, hier zu bleiben und die Fährte morgen früh wieder aufzusuchen.“
Der gute, kleine Mann bedachte nicht, daß das niedergetretene Gras sich während der Nacht aufrichten und die Spur dann am Morgen nicht mehr zu sehen sein werde.
Sie ritten vollends bis zum Wald hin, wo sie von den Pferden stiegen und diese von dem Sattel- und Zaumzeug befreiten. Der Wald war sehr dicht. Er bestand hier an dieser Stelle aus Quebrachos, hohem Kaktus, Mistol, Chañarse, Vinales und anderen Leguminosen. Zwischen den ersten Bäumen drang ein Quell aus dem Boden und floß vielleicht zehn Ellen weit in eine Vertiefung, wo er einen kleinen hellen Weiher bildete. An diesem lagerten sich die Reisenden. Holz zu einem Feuer war genug vorhanden. Bald loderte es hoch auf, und nun machten sich die drei an die Zubereitung des heutigen Bratens. Es wäre unmöglich gewesen, den Strauß zu rupfen wie einen kleineren Vogel. Man zog ihm das Fell mitsamt den Federn ab wie einem behaarten Tier. Dann wurde er aufgebrochen. Der Magen enthielt Pflanzenüberreste, Sand, Steine, einen hörnernen Messergriff und einen eisernen Reitsporn mit talergroßem Rad. Der Strauß verschlingt eben alles, was ihm in die Augen sticht. Das Fleisch sah gar nicht übel aus und ließ sich auch ganz leidlich schneiden. Bei der weiteren Zerlegung stellte es sich heraus, daß der Vogel allerdings nötig gehabt hatte, ein Nest zu formen; es waren Eier vorhanden, eines immer kleiner als das andere, von der Größe einer Erbse bis zu derjenigen einer Männerfaust. Die größeren wurden in heiße Asche gelegt, um zu rösten, und schmeckten dann gar nicht übel. Dann versuchte man das Brustfleisch, als das zarteste, wie Asado vom Rind zu behandeln. Als Fritze das erste Stück in den Mund nahm und es zwischen den Zähnen probiert hatte, spuckte er es wieder heraus und sagte zu seinem Herrn: „Pfui! Dat ist wirklich die reine Stiebelsohle, ohne Kraft und Jeschmack und nicht zu kauen. Versuchen Sie's doch 'mal!“
Dem Gelehrten ging es nicht anders. Das Fleisch war so zäh, daß man es trotz allen Hungers nicht genießen konnte.
„Klopfen wir es!“ meinte Fritze.
Er legte ein Stück auf den Boden und bearbeitete es mit dem Gewehrkolben, um es mürbe zu machen. Es fühlte sich jetzt weicher an, wurde aber im Feuer härter als das vorige Stück.
„Dat ist auch so 'ne falsche Berechnung in die Natur!“ räsonierte er. „Rebhühner und Krametsvögel, welche so delikat sind, wachsen klein, und diejenigen Vögel, welche die jewünschte Jröße besitzen, sind nicht zu jenießen. Mir dauert mein Pulver, welches ick verschossen habe. Hätte ick die harte Natur dieses Straußes jekannt, so hätte ick mich seinen Tod nicht auf mein Jewissen jeladen. Wat essen wir nun?“
Die Antwort folgte ganz unvermutet und auf der Stelle. Es raschelte hinter dem Sprecher. Er drehte sich um und sah ein langes, eidechsenartiges Tier am Stamm des nächsten Baumes.
„Still!“ flüsterte er. „Rührt euch nicht. Wenn es glückt, gibt es dann doch einen Braten.“
Er hatte sein Gewehr wieder geladen. Es enthielt einen Schrot- und einen Kugelschuß. Er nahm es, hinter sich greifend, in die Hand und zog es langsam nach vorn und an sich. Das Feuer war für das Tier eine ungewöhnliche Erscheinung. Es saß am Stamm des Baumes, langgestreckt wie eine Schlange, sich mit den Füßen festhaltend, und starrte mit hellen Augen in die Flamme. Da riß Fritz sein Gewehr mit einem plötzlichen Ruck in den Anschlag empor, zielte kurz und drückte ab. Der Schuß krachte; das Tier war weg.
„Was war's? Was gab's?“ fragte Morgenstern, welcher ebenso wie der Chirurg
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