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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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verbergen?“
    „Das ist Ihre Sache, Señor. Ich habe Ihnen mein Mittel gesagt. Wenn Sie kein Mittel kennen, es auszuführen, so ist das nicht meine Sache, obgleich ich es tief beklage, da wir nun doch noch Hunger leiden werden.“
    Er hatte wirklich im vollsten Ernst gesprochen. Parmesan wollte eine noch derbere Antwort geben, aber Fritze kam ihm zuvor: „Streiten Sie sich nicht, Señores! Ich glaube, einen guten Gedanken zu haben. Glauben Sie, Señor Parmesan, daß – – –“
    „Don Parmesan, bitte!“ unterbrach ihn der andere stolz.
    „Gut! Also Don Parmesan, glauben Sie, daß der Strauß vor einem Pferd flieht?“
    „Nein. Es kommt im Gegenteil vor, daß man grasende Strauße mitten unter weidenden Pferde- oder Rinderherden findet.“
    „Gut! Ich steige ab und lege mich mit meiner Flinte in das Gras. Sie reiten von hier aus in einem weiten Bogen nach rechts und links, über den Strauß hinaus und versuchen, ihn mir zuzutreiben. Ist das Glück uns günstig, so ist es möglich, daß ich den Vogel vielleicht doch erlege.“
    Dieser Vorschlag fand Anklang und wurde sofort ausgeführt. Morgenstern ritt rechts- und Parmesan linksab, in einem Bogen in den Campo hinaus, um dann den Vogel zu veranlassen, seine Flucht auf Fritze zuzunehmen.
    Der amerikanische Strauß oder Nandu wird mit der Bola, welche man ihm um die Beine wirft, gefangen. Zu schießen ist er nicht leicht, weil der Jäger, um schießen zu können, sein Pferd anhalten muß und der schnelle Vogel, bis das Pferd ruhig steht, gewöhnlich schon außer Schußweite gekommen ist. Wenn der Vorschlag des pfiffigen Preußen zum Ziel führte, war es jedenfalls nur dem Zufall zuzuschreiben.
    Um keine Zeit zu verlieren und dem Vogel den Weg möglichst bald abzuschneiden, trieben die beiden Reiter ihre Tiere zur größten Eile an. Der Nandu schien für nichts außer seiner Beschäftigung Augen zu haben. Er hackte mit dem Schnabel und scharrte mit den kräftigen, dreizehigen Füßen den Boden und drehte sich dabei jetzt immerwährend um seine eigene Achse, ohne auf die beiden Reiter draußen oder das hier ruhig weidende ledige Pferd achtzugeben.
    „Ick jlaube jar, er will Eier lejen und baut sich sein Nest dazu!“ brummte der im Gras liegende Fritze vergnügt vor sich hin. „Wenn ick dat jewußt hätte, so hätte ick ihm Zeit jelassen, um sonne Dutzender viere Eier von sich zu jeben. Wat für eine Omelette wäre dat jewesen!“
    Jetzt waren die Reiter hinter dem Nandu angelangt und wendeten ihm ihre Pferde zu. Er war so beschäftigt, daß er sie erst bemerkte, als sie höchstens noch zweihundert Ellen von ihm entfernt waren. Da machte er einen weiten Satz und rannte fort, gerade vor ihnen her und auf die Stelle zu, an welcher Fritze lag. Nun sah er das Pferd, stutzte, setzte aber dann seine Flucht in der einmal eingeschlagenen Richtung fort. Das Pferd schien ihm nicht gefährlich zu sein.
    Fritze fühlte, daß ihm das Herz vor Freude höher schlug. Er stemmte den linken Ellbogen fest auf die Erde, um einen guten Halt für sein Gewehr zu haben, legte an und zielte. Als der Vogel noch ungefähr sechzig Sprünge entfernt war, drückte er ab. Der Schuß krachte; der Nandu tat einen Sprung kerzengerade in die Höhe, taumelte dann einige Male hin und her und fiel darauf nieder.
    Fritze sprang jubelnd auf, nahm sein Pferd beim Zügel und führte es zu der Stelle hin, an welcher er mit den beiden anderen zu gleicher Zeit anlangte.
    „Es ist gelungen, vortrefflich gelungen!“ rief Don Parmesan, indem er vom Pferd sprang und zu dem Vogel trat, um sich bei demselben niederzubücken.
    Aber der Nandu war noch nicht ganz tot. Er nahm seine letzte Kraft zusammen und versetzte dem Chirurgen einen so kräftigen Schnabelhieb, daß er ihm den Poncho zerriß und ein Stück Fleisch aus dem Oberarm hackte.
    „O Himmel, o Hölle!“ schrie der Verwundete, indem er auf und weit zurück sprang. „Dieser Teufel lebt ja noch! Er hat mir eine Wunde beigefügt, an welcher ich höchstwahrscheinlich sterben werde!“
    „Sie sind selbst schuld, Señor“, antwortete Fritze. „Man nähert sich einem so kräftigen Tier nicht eher, als bis man genau weiß, daß es tot ist.“
    Er hielt dem Nandu den zweiten, noch nicht abgeschossenen Lauf nahe an den Kopf und jagte ihm die Ladung in denselben. Dann wendete er sich zu dem Chirurgen, um zu sehen, ob dieser leicht oder schwer verwundet sei. Der Biß war nicht gefährlich. Der Muskel blutete zwar heftig, doch fehlte nicht mehr als ein

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