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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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veranlaßten, noch hier zu bleiben, doch wollte der Chirurg nichts davon hören. Er machte aber sofort ein anderes, viel freundlicheres Gesicht, als der Doktor ihm sagte: „Wenn wir ein Megatherium hier finden oder ein ähnliches Riesentier und Sie helfen mit, so schenke ich Ihnen tausend Papiertaler.“
    Da fragte er rasch: „Sind Sie denn so reich, Señor?“
    „Ich bin wohlhabend und kann es geben.“
    „So helfe ich mit, und wenn es eine ganze Woche dauert!“
    Er ergriff sofort einen Spaten und begann mitzuarbeiten, denn tausend Papiertaler, soviel wie hundertsechzig deutsche Reichsmark, waren für ihn eine sehr wünschenswerte Summe.
    Während er mit Fritze in der sandigen Stelle in den Boden eindrang, nahm Morgenstern eine Schaufel, um einen Punkt der harten Unterlage von der darauf liegenden Lehmschicht und dem in derselben wachsenden Gras zu befreien. Er kratzte diese Schicht ab und schob sie zur Seite; da kam eine undurchdringliche, glatte und schildpattähnliche Masse zum Vorschein, welche, als er darauf schlug, einen dumpfen, hohlen Ton erzeugte. Da tat er vor Freude einen Luftsprung trotz des geschicktesten Harlekins und rief jauchzend aus: „Heureka, heureka! Ich hab's, ich hab's gefunden! Diese glasharte und panzerartige Masse! Ich hab's, ich hab's!“
    „Wat haben Sie denn?“ fragte Fritze, indem er von seiner Arbeit aufsah.
    „Das Tier, das Riesentier. Es ist ein Glyptodon, ganz gewiß ein Glyptodon!“
    „Wer soll dat Wort verstehen! Wie würde man es in Stralau oder Jüterbogk titulieren?“
    „Riesenarmadill oder noch deutscher, Riesenpanzertier!“
    „Also ein Tier mit riesiger Amatur! Wird es sich jegen unsere Annäherung wehren?“
    „Was fällt Dir ein! Es ist ja tot; es ist ein vorsündflutliches Geschöpf!“
    „Also in der Sündflut umjekommen und schmählich ertrunken? Da kann mich dat arme Beest wirklich leid tun. Ist es jroß?“
    „Wie ein Tapir oder Nashorn, anderthalb Meter lang.“
    „Also nicht auf den Arm oder in die hohle Hand zu nehmen. Na, dat schadet nichts; wir holen ihm dennoch heraus!“
    „Natürlich muß es heraus! Aber nehmt euch in acht, daß ihr es nicht beschädigt! Jede, auch die kleinste Beschädigung, lateinisch Laesio genannt, vermindert den Wert dieses kostbaren Fundes!“
    „Jut! Werden ihm so sanft wie möglich zu Leibe jehen, wat mich aber von wejen seine Riesenarmatur jar nicht als so notwendig erscheint.“
    Er grub mit dem Chirurgen weiter. Auch der Doktor arbeitete mit dem größten Eifer, mit der Schaufel die obere Lehmkruste von dem Panzer des vorweltlichen Tieres abzukratzen. Seine Augen strahlten; seine Wangen glühten, und seine Hände zitterten; er befand sich wie im Fieber. Dabei hielt er seinen beiden Gefährten einen Vortrag über die Urzeiten und die Wesen, welche in denselben existierten. Fritze und Don Parmesan warfen den Sand nach rechts und links heraus und drangen immer tiefer ein. Da gab der Sand plötzlich nach; Fritze stieß einen Schrei aus und verschwand in der Erde. Sein Gefährte sprang schnell aus dem Loch, sonst wäre er ihm nachgestürzt.
    „Um des Himmels willen, was ist geschehen?“ rief Morgenstern. „Hoffentlich kein Unglück, lateinisch Infortunium geheißen!“
    „Er ist verschwunden, vollständig verschwunden“, antwortete Parmesan. „Die Erde wich unter ihm, und da war er fort.“
    Der Doktor trat vorsichtig an das Loch und rief hinab: „Fritze, lieber Fritze, lebst du noch?“
    „Ja, ick lebe und bin verjnügt in meine Seele“, erklang es von unten herauf.
    „Wie ist das gekommen, und wohin bist du geraten?“
    „Ick habe mit die Balance dat neunzehnte Jahrhundert verloren und bin herunter ins Diluvium jerutscht.“
    „Bist du verletzt?“
    „Nein. Dat Panzervieh verhält sich sehr jebildet. Es ist janz still und hat mir nicht beschädigt.“
    „So komm schnell herauf! Es könnten gefährliche Gase vorhanden sein.“
    „Im Jejenteil! Es ist hier vor der Sündflutszeit janz mollig. Kommen Sie herunter! Ick habe jrad noch zwei schöne Sitzplätze zu vermieten, zwei Plätze in der Urwelt. Immer runter, meine Herren!“
    Dieses lustige Gebaren des kleinen Dieners verscheuchte alle Besorgnis des Doktors. Es konnte da unten doch wohl keine Gefahr vorhanden sein. Und da seine Wißbegierde so groß war, daß er sie kaum beherrschen konnte, folgte er der Aufforderung von Fritz und stieg vorsichtig in das Loch. Dieses führte zunächst gegen vier Fuß senkrecht hinab und ging dann in einem stumpfen

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