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36 - Das Vermächtnis des Inka

36 - Das Vermächtnis des Inka

Titel: 36 - Das Vermächtnis des Inka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Schildkröte? Wo ist sie denn?“
    „Hier doch“, antwortete der Kleine, indem er auf den vermeintlichen Panzer zeigte. „Sie werden doch zugeben, daß wir es hier mit dem Rückenschild einer Riesenschildkröte zu tun haben!“
    „Herr, halten Sie uns nicht für verrückt!“ fuhr der Gambusino auf. „Sie wissen sehr genau, in welcher Weise man derartige heimliche Magazine anlegt und daß man die Waffen und das Pulver dadurch vor der Feuchtigkeit schützt, daß man dem Versteck eine mit Harz durchtränkte Lehmdecke gibt. Halten Sie uns etwa für so dumm, zu glauben, daß Sie eine solche Decke für den Panzer einer Schildkröte angesehen haben?“
    „Aber, Señor, das ist ja wirklich der Fall! Die Annahme, daß dies eine durchharzte Lehmdecke sei, beruht auf einem gewaltigen Irrtum. Ich bin Kenner und gebe Ihnen die Versicherung, daß wir es mit den Überresten einer ganz einzig dastehenden zoopaläontologischen Existenz zu tun haben. Darauf können Sie sich verlassen, lateinisch durch fidus, ausgedrückt!“
    „Verstellen Sie sich doch nicht auf eine so lächerliche Weise! Wir werden Ihnen ein Latein vorsagen, welches Sie wohl schwerlich nachsprechen können. Señor Capitán, bemächtigen Sie sich dieser beiden sogenannten Deutschen! Der Carnicero ist ungefährlich; ihn wollen wir laufenlassen, da er, wenn wir ihn bei uns behielten, uns nur hinderlich sein würde. Er mag sein Pferd und seine Waffen nehmen und reiten, wohin es ihm beliebt.“
    Nichts konnte dem Chirurgen lieber sein als diese Entscheidung. Er sattelte schnell sein Pferd, nahm seine Flinte und stieg auf, um davonzureiten. Aber wohin? Als er der Truppe aus den Augen war, hielt er an, um zu überlegen. „Eine tolle Geschichte!“ brummte er in den Bart. „Dieser deutsche Knochensucher soll der Oberst Glotino sein. Fällt ihm gar nicht ein! Er hat das Waffenversteck wirklich für das Lager eines uralten Tieres gehalten. Diese Kerls, welche uns überraschten, wollen sich mit den Indianern verbinden, um sich gegen die Regierung zu empören. Sie sind Halunken. Sie sprachen davon, den Deutschen töten zu wollen. Er ist ein guter Mensch, und ich möchte ihn retten. Aber wie?“ Er dachte nach, fuhr dann plötzlich aus seinem Sinnen auf und meinte zu sich selbst:
    „Ich hab's! Ich brauche ja nur dem Vater Jaguar nachzueilen und ihm zu erzählen, was geschehen ist. Seine Spur wird nicht mehr zu sehen sein, aber ich weiß ja die Richtung, die er eingeschlagen hat. Also schnell vorwärts!“
    Er jagte mit seinem Pferd von dannen.
     

ACHTES KAPITEL
    Der Letzte der Inkas
    Ungefähr zwanzig Kilometer im Norden von der Stelle, an welcher sich das soeben Erzählte ereignete, liegt jenseits des Rio Salado die Laguna Tostado. Der schon erwähnte Monte impenetrable d.i. undurchdringliche Wald, schickt seine Ausläufer bis an das Ufer der Lagune. Er dehnt sich längs des Rio Salado in nordwestlicher Richtung aus und ist nur da zu durchqueren, wo durch irgendwelche Einflüsse oder Zufälle eine natürliche Öffnung entstanden ist. Diese Öffnungen bilden die Ausfallspforten, durch welche die Indianer des Chaco ihre Raubzüge in das bewohnte Land unternehmen.
    Am Nachmittag desselben Tages schritten zwei Personen langsam und wie suchend an dem Rand des Waldes hin. Die eine, welche voranschritt, war ein sehr alter Mann, dessen Gesicht so viele Falten und Fältchen hatte, daß man sie nicht zu zählen vermochte. Er schien nur aus Haut und Knochen zu bestehen, doch waren seine Bewegungen so kräftig und sicher, daß man ihn für viel jünger hätte halten mögen, als er wirklich war. Seine Kleidung bestand aus einer langen Hose von weichgegerbtem Leder und einem kurzen Hemd aus demselben Stoff. Das letztere wurde über den Hüften von einem schmalen Gürtel zusammengehalten, in welchem ein Messer steckte. Die Füße staken in niedrigen, sandalenartigen Schuhen, denen man es ansah, daß er sie wohl selbst gefertigt hatte. Ein über der Schulter hängender Riemen trug ein großes Pulverhorn, einen ledernen Bleibeutel und eine eiserne Kugelform. Den Kopf trug der Alte unbedeckt oder vielmehr nur bedeckt von dem dichten, langen, wie Silber glänzenden Haar, welches wie eine Mähne hinten bis zum Gürtel herniederhing. Von einem Bart aber war keine Spur zu sehen. Auf dem Rücken trug er eine Art Jagdtasche, welche aus dem Fell eines Silberlöwen gefertigt war, und in der Hand ein starkes, einläufiges Gewehr.
    Die andere Person war ganz genauso gekleidet und bewaffnet

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