36 - Das Vermächtnis des Inka
aber von Ihnen, Señores, vernehme, bin ich freilich überzeugt, daß er Lust haben wird, auf unserer Spur zu bleiben. Ich denke aber, daß dies nichts Leichtes sein wird.“
„Warum?“ fragte der Gambusino.
„Spuren vergehen.“
„So! Hm! Sie scheinen keinen großen Begriff von der Kunst des Fährtenlesens zu haben. Ich will Ihnen sagen, und zwar im vollsten Ernst, daß dieser Vater Jaguar eines Tages eine Fährte verloren hatte und sie nicht wiederzufinden vermochte. Da blickte er in die Wolken und wußte sofort, woran er war.“
„So waren diejenigen, welche er suchte, wohl in die Wolken geritten?“ lachte der Kapitän.
„Pah! Sie verstehen das nicht“, antwortete der Gambusino in verächtlichem Ton. „Wissen Sie nicht, daß der Gang der Wolken die Windrichtung andeutet?“
„Das weiß ich wohl.“
„So denken Sie sich das übrige dazu! Ich habe weder Zeit noch Lust, Ihnen alte Abenteuer zu erzählen, denn ich bin der Überzeugung, daß wir bald sehr neue erleben werden. Ich wollte Ihnen nur sagen, Señor, daß ein Mann wie der Vater Jaguar jede Fährte findet, welche er sucht, und sie dann gewiß nicht wieder verliert, außer er hat es mit einem ebenso erfahrenen Gegner, zum Beispiel mit mir, zu tun. Ich bin imstande das zu tun, was keiner von Ihnen vermag, nämlich diesen Mann irrezuführen oder ihm wenigstens ein Schnippchen zu schlagen.“
„Wir werden durch die Sandwüste, durch Wälder, über Sümpfe und Flüsse reiten. Uns da überall zu folgen, ohne uns doch einmal zu verlieren, dazu gehört doch mehr, als ein Mensch vermag.“
„Dazu gehört nichts weiter als Schlauheit und Erfahrung; und diese beide besitzt der Jaguar in hohem Grad. Aber wir brauchen uns ja darüber, ob er unsere Spuren finden wird, gar nicht zu streiten. Er braucht uns gar nicht nachzuspüren, denn er weiß genau, wohin wir wollen.“
„Unmöglich! Wer sollte es ihm gesagt haben? Unter den Leitern unseres Planes gibt es keinen Verräter, und die tiefer Gestellten wissen nichts.“
„Haben Sie vorhin nicht gehört, daß er uns jedenfalls belauscht hat?“
„Ja. Aber was hat er gehört?“
„Ich habe darüber nachgedacht, und es ist mir eingefallen, worüber die Señores kurz vor dem Ausbruch des Feuers gesprochen haben. Ich selbst aber habe geschwiegen und mich an diesem verräterischen Gespräch nicht beteiligt.“
„Nun, worüber sprachen wir? Ich entsinne mich nicht, ein Wort gesprochen zu haben, welches an uns zum Verräter hätte werden können.“
„O doch! Sie sprachen von unseren Waffenverstecken.“
„Aber nicht davon, wo dieselben liegen!“
„Sodann sprachen Sie davon, daß Sie Boten an die Grenzorte gesandt hätten, um Ihre Soldaten nach dem Lago zu beordern.“
„Habe ich den Namen dieses Lago genannt?“
„Nein.“
„Nun, es gibt sehr viele Lagos; er mag sich denjenigen, den ich meinte, heraussuchen!“
„Er sucht nicht nach ihm, sondern er kennt ihn in diesem Augenblick vielleicht schon sehr genau.“
„Wieso?“
„Sie vergessen ganz, daß unsere Gefangenen jetzt bei ihm sind. Wir waren ihrer leider so sicher, daß wir in ihrer Gegenwart mehr als genug von Dingen gesprochen haben, welche nicht für fremde Ohren, am allerwenigsten aber für das Ohr eines solchen Feindes sind.“
„Kennen sie den Nannen des Lago?“
„Sehr genau, Sie selbst haben ihnen damit gedroht, daß sie in dem Wasser dieses Sees ersäuft werden sollen.“
„Teufel! Das ist freilich unangenehm! Aber wer konnte wissen, daß sie uns schon nach kurzer Zeit wieder entkommen würden! Nun wird er wohl schleunigst nach diesem Lago de los Carandayes reiten.“
„Das würde er allerdings, wenn ich nicht wäre. Ich werde ihn irreführen. Wir sind von Süden her über den Fluß gekommen um nach dem Norden oder Nordwest zu gehen. Wir werden aber wieder umkehren, um über den Fluß zurückzugehen.“
„Welcher Einfall, welcher Umweg!“
„Kein Umweg. Wenn wir jetzt gleich aufbrechen und uns einen anderen Einschnitt suchen, durch welchen wir den Wald wieder hinter uns legen können, so sind wir am Morgen am Fluß, reiten hindurch und eine Strecke in das Land hinein. Das wird ein Parforceritt bis heute abend. Da ruhen wir nur zwei oder drei Stunden aus und kehren auf einem anderen Weg wieder nach hier zurück.“
„Wieder ein Tagesritt, also zwei Tage Verlust!“
„Was bedeutet dieser Verlust, wenn wir dadurch den Vater Jaguar von uns abschütteln!“
„Wird uns das gelingen?“
„Unbedingt. Ich
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