365 Geile Nacht Geschichten 1 Juni
dagegen sah aus wie einem Unterwäschekatalog entsprungen: Kinnlange, schwarze Locken, dunkle, dichte Augenbrauen, Dreitagebart, sonnengebräunt und ein Sex-Appeal, der von weitem schon lockte. Konnte sich Rob beinahe unsichtbar unters Volk mischen – was er auch so wollte – war Paul stets der Star – und das mit Kalkül.
„Na ja, der Sex wird es doch wohl kaum sein“, lachte Paul endlich, weil sich Rob zu keiner näheren Erläuterung hinreißen ließ. Rob zuckte hoch.
„Warum das?“, fragte er und musterte den Bruder seiner Freundin. Wobei – war sie seine Freundin? Rob hatte sie über eine Partnerbörse im Internet kennengelernt, sich mit ihr getroffen und sie waren schon am ersten Abend im Bett gelandet – so wie in den folgenden zwei Wochen immer mal wieder. Dann hatte Gabi darauf bestanden, dass Rob dieses Wochenende mit ihrem Bruder in den Bergen verbringen sollte. Der Grund für dieses Unterfangen kristallisierte sich schnell heraus: Paul sollte Rob auf Herz und Nieren prüfen, ehe sich Gabi näher auf Rob einlassen wollte. So mache sie das immer, hatte sie erklärt. Es war eine ganz und gar bescheuerte Idee, zumal Rob definitiv kein Naturfreak war. Konnte man diesen „Test“ nicht auch einfach in einem Lokal durchführen? Aber Rob wollte unbedingt eine Freundin. Seine letzte Beziehung war schon eine ganze Weile her, der Typ für One-Night-Stands war er nicht und außerdem war er mit fünfundzwanzig in einem Alter, in dem man eine vorzeigbare Freundin haben sollte.
„Na ja, Rob, das ist doch sonnenklar!“, meinte Paul und zwinkerte vielversprechend.
„Ich weiß nicht, ob dich das als Bruder interessiert, aber deine Schwester ist eine Granate …“, begann Rob seine
Freundin
zu verteidigen.
„Ich sagte ja auch nicht, dass meine
Schwester
schlecht im Bett ist“, meinte Paul und grinste breit.
„Ihr redet darüber …?“
„Wenn ich dich auf Herz und Nieren prüfen soll, dann ist auch das ein wichtiges Indiz, und wenn ich meiner Schwester Glauben schenken darf – dann scheinst du nicht gerade der Bringer zu sein!“, meinte Paul lapidar. Rob wollte etwas sagen, schnaubte aber nur eingeschnappt. „Was mich ehrlich gesagt etwas überrascht“, fuhr Paul nach einer Weile fort.
„Gabi findet, ich bin schlecht im Bett?“, bohrte Rob nach. Es war ein Schlag in die Magengrube.
„Schlecht? Grottig!“, meinte Paul, „Was mich – wie gesagt – überrascht. So hätte ich dich nicht eingeschätzt.“
„Danke“, murmelte Rob und legte seine Jause weg. Der Appetit war ihm vergangen.
„Also, … liebst du sie?“, fragte Paul.
„Liebe ist doch nichts weiter, als ein anderer Begriff für Gewöhnung“, murmelte Rob und schraubte den Verschluss der Apfelsaftflasche auf.
„Wie bitte?“, stieß Paul hervor.
„Liebe gibt es nicht. Zwei Menschen haben Sex, gemeinsame Interesse, gewöhnen sich aneinander, wollen Sicherheit und nicht alleine sein, also binden sie sich aneinander und nennen es Liebe“, erklärte Rob nüchtern und monoton.
„Äh …“, machte Paul, „… hast du dich schon mal verliebt?“
„Das ist eine Erfindung der Medien. Allenfalls gibt es sexuelle Anziehung“, erklärte Rob.
„Das heißt … nur damit ich das richtig verstehe: Du hast dich an den schlechten Sex mit meiner Schwester gewöhnt und daher willst du das so beibehalten?“, fragte Paul irritiert.
„So, wie du das formulierst, kriege ich das Gefühl, das wäre etwas Schlechtes.“
„Na ja, Werbung für dich ist es ja nicht gerade … wobei … wie gesagt …“, meinte Paul.
„Wie gesagt
was?“
„Ich glaube nicht, dass du so ein sexueller Griff ins Klo bist.“
„Danke!“, grunzte Rob.
„Vielleicht hast du nur noch nicht den richtigen Menschen getroffen“, argumentierte Paul.
„Aha … mhm … und woher willst du das wissen?“
„Küss mich!“, bat Paul und Rob prustete den Apfelsaft auf den Waldboden, glubschte Paul an und fragte perplex: „WAS?“
„Küss mich“, wiederholte Paul und es sah nicht nach einem Witz aus.
„Ich bin nicht schwul, Mann“, brummte Rob.
„Okay, hier kann uns wer sehen, …“ Paul schaute sich um, schnappte Rob am Handgelenk und zerrte ihn tiefer in den Wald, bis sie weiter weg vom Wanderweg waren. Der Wind tobte warm durch die Bäume hindurch, das Gewitter kam immer näher – man hörte in der Ferne das Grollen des Donners.
„Hier sieht uns keiner“, erklärte Paul pragmatisch, „Also los!“
„Ich küss dich doch nicht,
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