37 - Satan und Ischariot I
einmal, was nach Ihrer Meinung zu geschehen hat!“
„Ich denke eben, daß wir gleich aufbrechen sollten, um Melton einzuholen und zu arretieren.“
„Unsere Pferde würden unter uns zusammensinken; zudem müssen Sie bedenken, daß wir ebensolange wie unsere Tiere unterwegs gewesen sind. Wir haben in zwei und einem halben Tag sechs reichliche Tagesmärsche zurückgelegt, und ich glaube nicht, daß Sie, Señor, nach einer solchen Leistung imstande wären, einen Parforceritt hinauf nach der Fuente und in die Yumaberge zu machen. Wir bedürfen sehr der Ruhe, denn wir sind keine Götter, sondern Menschen, und werden also bis morgen bleiben. Wenn Sie es so eilig haben, so können Sie vorausreiten. Nehmen Sie einige Polizisten mit!“
Da schlug die Señora die Hände zusammen und rief:
„Das ist ein prächtiger Gedanke! Vorausreiten und einige Polizisten mitnehmen! Was sagst du dazu, mein Männchen?“
„Wenn es dir recht ist, so ist der Gedanke allerdings ein sehr glücklicher“, antwortete der Gefragte.
„Sogar ein außerordentlich glücklicher! Hast du nicht deinen Ayudo (Assistent), welcher alle deine Arbeiten und Obliegenheiten zu erledigen versteht, so daß du einmal eine kleine Reise unternehmen kannst?“
Er war wohl seit langer Zeit nicht so glücklich gewesen, einmal die Zügel nicht zu fühlen, welche sie mit ihren schönen Händen führte. Eine kleine Reise! Und zwar allein, nicht mit ihr! Welch ein Gaudium! Sein Gesicht glänzte förmlich vor Vergnügen; aber er erkundigte sich doch in vorsichtiger Weise:
„Wohin wollen wir reisen, meine Seele?“
Das Wörtchen ‚wir‘ betonte er besonders. Sie machte ihm das Herz leicht, indem sie antwortete:
„Ich bleibe daheim.“
Hatte sein Gesicht vorher geglänzt, so strahlte es nun vollständig, als er fragte:
„Wohin soll ich gehen?“
„Ich gebe dir Gelegenheit, eben solchen Ruhm zu erwerben wie Winnetou selbst. Da Don Timoteo einige Polizisten wünscht, so reitest du selbst mit und kommandierst einige Oficiales de la policía zu deiner Begleitung.“
Sein Gesicht hörte plötzlich auf zu strahlen; es zog sich in bedenkliche Falten und wurde ungeheuer lang. Beinahe bebend erklangen seine Worte:
„Ich – ich selbst soll mit in die Berge, und zwar reitend?“
„Natürlich, denn gehen kannst du einen solchen Weg doch nicht!“
„Meinst du nicht, daß ein solcher Ritt etwas – – – etwas anstrengend, vielleicht sogar gefährlich ist?“
„Für einen Caballero gibt es keine Gefahr. Also?!“
Sie warf ihm einen gebieterischen Blick zu, auf welchen der arme Teufel nur die eine Antwort hatte:
„Ja, wenn du meinst, so reite ich mit, mein Herz!“
„Ich meine es; freilich meine ich es! In einem kleinen Stündchen hast du alles beisammen, die Wäsche, das Pferd, die Zigaretten, Seife zum Waschen, zwei Pistolen, Handschuhe, das nötige Geld, mit dem ich dich reichlich versehen werde, Schokolade, eine Flinte und ein Kopfkissen, damit du, wenn ihr gezwungen sein solltet, einmal in einem schlechten Bett zu schlafen, nicht tief zu liegen brauchst und schlimme Träume hast. Du siehst, wie ich für dich sorge. Nun sorge auch du dafür, daß meine Erwartungen erfüllt werden. Kehre ruhmbedeckt zurück. Einem Jurisconsulto (Rechtsgelehrter), wie du bist, kann dies nicht schwer werden. Meinen Sie nicht auch, Señor?“
Diese Frage war an mich gerichtet; ich antwortete also:
„Ich stimme Ihnen vollständig bei, Señora, soweit die Rechtsgelehrsamkeit bei einem solchen Ritt zustatten kommt.“
„Hörst du es?“ fragte sie ihren Mann. „Der Señor ist mit mir einverstanden. Wann werden Sie aufbrechen, Don Timoteo?“
„In einer Stunde“, antwortete der Gefragte, welcher wohl gerne mit mir und Winnetou, nicht aber mit dem Pantoffelhelden geritten wäre, sich indessen gezwungen sah, auf den lächerlichen Plan der Dame einzugehen.
Der ‚Jurisconsulto‘ machte ein Gesicht, über welches man hätte zugleich weinen und auch lachen mögen. Aus der schönen, kleinen Reise war ein gefährlicher, wenigstens ein anstrengender Ritt geworden. Das Kopfkissen, welches er mitbekommen sollte, war wohl kaum imstande, das Grauen, welches er empfand, zu mildern. Er mochte mir ansehen, daß ich eine Art von Mitleid mit ihm fühlte, denn er warf mir einen flehenden Blick zu, in der Hoffnung, daß ich mich seiner annehmen und den Versuch machen werde, seine Gattin von ihrer für sie pikanten, für ihn aber höchst fatalen Marotte abzubringen, doch
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