37 - Satan und Ischariot I
ganzen Stamm der Mimbrenjo, von Old Shatterhand einen solchen Vorschlag gemacht zu erhalten. O Manitou, Manitou! Ich wußte es gar wohl, daß ich bei Old Shatterhand viel eher einen Namen, und auch einen viel besseren, finden würde als an jedem anderen Ort! Unsere Krieger werden mich beneiden; die Frauen werden von mir erzählen, und wenn ich vorübergehe, werden die Töchter heimlich durch die Ritzen der Zelte mir nachblicken. Vor allen Dingen aber wird mein Vater, der ‚Starke Büffel‘, mich an sein Herz drücken und mein kleiner Bruder vor Wonne und Liebe meine Lippen küssen. Oh, hätte er, der auch noch keinen Namen hat, ebenso wie ich bei dir bleiben können! Ich glaube, er hätte sich einen ebensolchen wie ich erworben!“
„Sehr wahrscheinlich. Dieses Versäumnis kann übrigens nachgeholt werden, denn ich bin überzeugt, deinen Bruder bald wiederzusehen. Wenn er dir nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich ähnlich ist, so wird er nach seiner Ankunft nicht geruht und gerastet haben, bis er von deinem Vater die Erlaubnis, den Zug gegen die Yumas mitmachen zu dürfen, erhalten hat.“
„Das glaube ich auch. Mein Vater, der große Häuptling der Mimbrenjos, ist sehr streng; er achtet der gewöhnlichen Wünsche seiner Kinder wenig, aber eine solche Bitte, die ihn erfreuen muß, zu erfüllen, wird er gewiß nicht zögern. Wie herrlich, wenn die Namengebung meines kleinen Bruders zu derselben Zeit mit der meinigen von dem ganzen Stamm gefeiert würde!“
Während dieser Unterredung hatten wir nicht nur den Weg durch die gewundene Schlucht, sondern auch durch mehrere Vortäler zurückgelegt. Bei jeder Biegung des Weges hatten wir hinter uns geblickt, ob die Verfolger zu sehen seien, aber nichts von ihnen wahrgenommen. Dennoch war ich überzeugt, daß sie sich nicht weit von uns befanden, und nahm mir vor, nun bald, wenn die Gegend sich dazu eignete, die Probe zu machen.
Wir kamen an eine Art kleiner Prärie, die vielleicht einen viertelstündigen Ritt breit war. Als wir sie durchkreuzt hatten, befanden wir uns in einem Busch, der ein gutes Versteck bot. Hier hielt ich mein Pferd an und stieg ab.
„Will Old Shatterhand schon Rast machen?“ fragte der Knabe.
„Nein, sondern nur für kurze Zeit anhalten, um mit den Yumas zu reden.“
Wahrscheinlich kam ihm meine Absicht höchst sonderbar vor; er sagte aber nichts. Ich schnallte das Paket mit dem neuen Anzug los, um denselben mit dem alten zu vertauschen. Letzterer war von Anfang an nicht viel wert gewesen und hatte während meiner Gefangenschaft so sehr gelitten, daß ich nun erst recht wie ein Stromer und ganz und gar bettelhaft aussah. Wie ganz anders war es, als ich in dem neuen steckte! Es war nicht die geringste Spur von Eitelkeit bei mir vorhanden, aber diese südlichen Indianer sind ebensosehr von Äußerlichkeiten eingenommen als ihre nördlichen Brüder, wie der Mexikaner sich auffallender und glänzender kleidet als der unpoetische und nüchterne Yankee. Ein Sioux- oder Crow-Indianer versagt einem weißen Jäger seine Achtung nicht, auch wenn derselbe in Lumpen erscheint; ein Pimo oder Yaqui aber kann sich weit schwerer dareinfinden, eine schlecht gekleidete Person für einen tüchtigen Mann zu halten. Und doch kommt oft sehr viel darauf an, welchen Eindruck man gleich im ersten Augenblick macht. Wäre ich nicht in meinem alten Anzug auf der Hazienda erschienen, so hätte mir Timoteo Pruchillo wahrscheinlich eher geglaubt, und ich wäre nicht gezwungen gewesen, seinen famosen Majordomus zu beohrfeigen und in den Bach zu werfen. Man sieht, daß selbst in jenen abgelegenen Gegenden Kleider Leute machen.
Als ich mich umgekleidet hatte, sah ich ungefähr wie ein reicher mexikanischer Großgrundbesitzer, wie ein Caballero, aus, der gerade auf dem Weg ist, die Dame seines Herzens zu besuchen.
„Uff!“ rief sogar der Mimbrenjo verwundert aus, als ich hinter dem Strauch, welcher die spanische Wand gebildet hatte, hervortrat. „Fast hätte ich dich nicht sogleich wiedererkannt“, er errötete vor Verlegenheit. „Aber so haben wir Knaben uns Old Shatterhand vorgestellt, wenn uns von ihm und von Winnetou erzählt wurde.“
Als dieses aufrichtige und unbewachte Bekenntnis heraus war, ergriff ihn doppelte Verlegenheit; ich riß ihn aus derselben, indem ich ihm meinen Bärentöter gab und dabei sagte:
„Mein junger roter Bruder mag hier zurückbleiben und das Gewehr halten, welches ich nicht brauche. Sobald die Yumas erscheinen, werde ich
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