38 - Satan und Ischariot II
mitten in der Nacht wäre.“
„Sie haben sehr recht; aber das Asr hat immer das Asr zu bleiben und dem Befehl des Pascha darf kein anderer Wille entgegentreten.“
„Wenn Mohammed es Sadok Pascha es so befohlen hat, dann ist allerdings nichts zu ändern. Sie müssen warten bis morgen nachmittag.“
„Und Sie reiten doch jedenfalls mit uns? Und auch Ihre beiden berühmten Begleiter?“
„Hm! Ich habe nichts dagegen. So ein Kriegszug ist mir eben recht. Und was Winnetou und Emery betrifft, so denke ich, daß sie sich auch mit anschließen werden.“
„Es freut mich ungemein, das zu vernehmen. Die zwei Herren dürfen natürlich nicht im Hotel bleiben, sondern ich lade sie hiermit ganz dringend ein, sich sogleich als meine lieben Gäste zu mir zu begeben.“
„Gut, lassen Sie die beiden Freunde holen. Da sie kein Gepäck bei sich haben, so genügt es, ihnen zwei Pferde zu senden. Ich habe natürlich auch kein Pferd. Wenn wir Sie auf Ihrem Zug gegen die Uled Ayars begleiten sollen, müssen Sie uns also beritten machen. Dabei brauche ich wohl nicht zu erwähnen, daß Winnetou und Emery Bothwell verwöhnt sind und nicht etwa niedrige Anforderungen an ein gutes Reitpferd stellen.“
„Ganz so wie Sie auch. Aber machen Sie sich keine Angst. Sie kennen mich und haben die Sicherheit, daß Ihnen die allerbesten Pferde zur Verfügung stehen.“
„Das nehmen wir dankbar an. Und da wäre es mir lieb, wenn Sie mir ein Pferd gleich jetzt geben ließen. Ich muß natürlich nach der Stadt zurück und habe auch einen kleinen Ritt nach Zaghuan vor.“
„Zu welchem Zweck?“
„Das werde ich Ihnen später mitteilen, wenn mehr Zeit dazu vorhanden ist. Dann werden Sie auch erfahren, was wir drei Männer eigentlich in Tunis wollen. Jetzt bitte ich Sie um Beantwortung einiger Fragen. Haben Sie Beweise, daß Kalaf Ben Urik Engländer gewesen ist?“
„Nein.“
„Was für ein Untertan ist er jetzt?“
„Tunesischer.“
„Gesetztenfalls, er verübte ein Verbrechen, so hätte also nicht der Vertreter seines Heimatlandes, sondern der Pascha darüber zu richten?“
„Ja. Aber Kalaf Ben Urik ist der größte Ehrenmann und strengste und gläubigste Moslem; ich schwöre jeden Eid auf ihn und dulde keinen Angriff auf meinen Liebling.“
Er hatte diese Worte in einem so strengen und nachdrücklichen Ton gesprochen, daß ich wohl einsah, wie hoch Kalaf Ben Urik in seinem Ansehen stand. Darum wurde das, was ich mir gleich erst vorgenommen hatte, zum festen Beschluß: Ich wollte Krüger-Bei jetzt noch nicht mitteilen, was wir gegen seinen ‚Liebling‘ vorhatten. Da er in dieser Weise von demselben eingenommen war, so stand zu erwarten, daß der alte Herr der Heerscharen uns einen recht unzeitigen Strich durch die Rechnung machen würde. Ich brach also schnell von diesem Thema ab und lenkte das Gespräch auf andere Dinge. Wir teilten uns unsre Erlebnisse mit, rauchten einen köstlichen Dschebeli und tranken dazu den Kaffee, den der alte Sallam immer wieder erneuerte, und unterhielten uns von allem möglichen, aber nur nicht von dem, was ich auf dem Herzen hatte.
Endlich mußte ich aufbrechen, doch nur, um bald wiederzukommen. Krüger-Bei begleitete mich, was er nur mit hohen Respektspersonen zu tun pflegte, bis hinaus vor die Tür, wo ein herrlicher Fuchshengst stand, den er für mich hatte satteln lassen. Auf diesem ritt ich zunächst ins Hotel, um meinen Gefährten zu melden, daß sie als Krügers Gäste abgeholt werden sollten, und ihnen zu sagen, daß ich in Beziehung auf Kalaf Ben Urik eigentlich einen Mißerfolg zu verzeichnen hatte. Es war nicht anzunehmen gewesen, daß der raffinierte Mensch gerade auf den für uns so hinderlichen Gedanken kommen werde, sich so tief in die Gunst meines alten Herrn der Heerscharen einzufressen. So lieb mich dieser hatte und so große Stücke er auf mich hielt, ich wußte dennoch, daß ich mit einer bloßen Anklage nichts ausrichten, sondern ihm gleich mit den unwiderleglichsten Beweisen ins Haus fallen müsse. Der alte, sonst so liebe und gute, aber überaus hartnäckige Oberst der Leibwache war imstande, sich seines Lieblings auf eine Weise anzunehmen, daß uns dieser vollständig entzogen wurde. Er mußte also überrumpelt werden.
„Aber wie soll das geschehen? Wie wollen wir ihn überrumpeln?“ fragte Emery.
„Durch den falschen Hunter“, antwortete ich.
„Wieso?“
„Indem ich jetzt hinaus zu diesem reite und ihn überrede, nicht in Zaghuan auf die Rückkehr seines
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