Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
38 - Satan und Ischariot II

38 - Satan und Ischariot II

Titel: 38 - Satan und Ischariot II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
sich in der Person seines Sohnes irren!“
    „Warum nicht? Nehmen wir zum Beispiel an, es liege eine große Ähnlichkeit vor. Das ist doch ein Fall, der nicht zu den Unmöglichkeiten gehört.“
    Er horchte auf und brach dann ungestüm los:
    „Verwünscht sei Euer Ziehen, Zerren und Dehnen! Ihr habt etwas auf dem Herzen! Ihr wollt mir irgendeinen Hieb oder Stoß versetzen! Was zögert Ihr doch! Hervor damit!“
    „Einen Hieb oder Stoß? Da irrt Ihr Euch. Ich spreche aus reiner Teilnahme zu Euch. Der beste Trost für Euch wäre nun freilich der Beweis, daß Ihr Euch vergeblich grämt, daß Euer Sohn nicht gestorben ist, sondern noch lebt.“
    „Laßt mich mit Euern Romanen in Ruh'! Ich kann gar nicht begreifen, wie Ihr auf solche Gedanken kommt!“
    „Wie? Auch das will ich Euch sagen. Wieviel Fußzehen hat wohl jeder Mensch?“
    „Zehn natürlich!“ grollte er heraus. „Ihr müßt wahrhaftig nicht recht im klaren sein, daß Ihr mir so dumme Fragen vorlegen könnt!“
    Der Ton, in welchem er diese Worte aussprach, war mir ein sicherer Beweis, daß er den abweichenden Bau des Fußes bei Small Hunter nicht kannte. Darum fuhr ich weiter:
    „Die Fragen sind gar nicht so verrückt, wie Ihr anzunehmen scheint. Es ist bekannt, daß Small Hunter an jedem Fuß sechs Zehen hat, oder vielmehr hatte.“
    „Wie? Sechs Zehen?“ fragte er ganz betroffen und indem er mich mit großen Augen ansah. Der Fall war ja von außerordentlicher Wichtigkeit für ihn.
    „Ja, sechs an jedem Fuß! Und da er Euerm Jonathan so außerordentlich ähnlich sah und Ihr ihm nur ins Gesicht blicktet, aber nicht auf die Zehen, so habt Ihr Euch ganz unnützerweise über den Tod Eures Sohnes gehärmt. Ihr habt die Leiche selbst begraben. Ist es Euch denn dabei entgangen, daß sie zwölf Zehen hatte?“
    Er stieß einen Fluch aus.
    „Ja, sonderbar! Ihr habt nichts davon gewußt; den Uled Ayars aber ist dieser seltene Überfluß an Zehen recht wohl bekannt gewesen, denn sie haben den Toten unter sich nicht anders als Abu tnasch Ssabi, ‚Vater der zwölf Zehen‘, genannt.“
    Er drängte die Ausrufe des Erstaunens, des Zornes, welche ihm auf den Lippen schwebten, zurück und machte seinen Gefühlen nur durch ein Kopfschütteln Luft.
    „Und nicht nur in dem Mann selbst habt Ihr Euch geirrt“, fuhr ich fort, „sondern auch in Beziehung auf den Tod, den er gestorben ist. Es liegt nämlich ganz bestimmt kein Selbstmord vor. Wir haben die Leiche ausgegraben und seziert. Die Kugel ist von links nach rechts unten durch das Herz gegangen und an der siebenten Rippe, da wo diese am Wirbel sitzt, steckengeblieben. Einen solchen Schuß kann ein Selbstmörder nicht mit der Rechten, sondern nur mit der Linken getan haben. Die linke Hand des Toten aber war in der Weise verletzt, daß er mit derselben keinen Revolver zu handhaben vermochte; folglich hat er sich nicht selbst getötet, sondern ist von einem anderen getötet, also ermordet worden.“
    „Wer sollte ihn denn ermordet haben?“
    „Der, welcher im betreffenden Augenblick bei ihm war.“
    „Das war ich!“
    „Ihr? Hm, Master Melton, das wirft freilich kein gutes Licht auf Euch!“
    „Unsinn! Meint Ihr wirklich, daß ich imstande bin, meinen Sohn, meinen einzigen Sohn zu töten?“
    „Er war nicht Euer Sohn!“
    „Aber ich habe ihn dafür gehalten!“
    „Habt Ihr? Wirklich? Vielleicht irrt Ihr Euch auch da! Aber selbst wenn es so wäre, würde ich Euch, da ich Euch kenne, unbedenklich auch einen Kindsmord zutrauen. Jedoch Ihr erklärt mit sehr glaubhafter Miene, es nicht getan zu haben, und da muß ich mich also nach einem anderen umschauen, der es gewesen sein kann. Ich denke da an den Schreiber eines Briefes, welcher aus Tunesien nach Ägypten gegangen ist. In diesem Brief wurde Small Hunter angeblich von seinem Freund, dem Advokaten Fred Murphy, eingeladen, nach Tunis zu kommen. Wißt Ihr vielleicht etwas von diesem Brief?“
    „Nein, nein, nein!“ brüllte er mich förmlich an, vor Grimm und vor Verlegenheit.
    „Oder kennt Ihr einen Juden Namens Musah Babuam, an welchen gewisse Schriftstücke adressiert werden sollten?“
    „Nein, nein!“
    „Oder den Pferdehändler Bu Marama im Dorf Zaghuan, bei dem Euer Sohn bis zu Eurer Rückkehr heimlich logieren soll?“
    Er bäumte sich unter seinen Fesseln auf, fiel aber wieder zurück und rief mir, vor Wut schäumend, zu:
    „Du stehst mit allen Teufeln im Bund! Du ersinnst dir Lüge über Lüge, nur um mich zu quälen; aber ich werde dir nicht

Weitere Kostenlose Bücher