38 - Satan und Ischariot II
länger Rede stehen und nicht mehr antworten, und wenn du mich totpeitschen lassen solltest! Geh in die Hölle, wohin du gehörst!“
Jetzt endlich hatte er eingesehen, daß ich alles wußte. Um ihm noch vollere Klarheit zu geben, ging ich, seinen Sohn zu holen, der sich gut bewacht bei unseren Truppen befand und seinen Vater noch nicht gesehen hatte. Ich band ihm die Füße los, so daß er gehen konnte, und führte ihn nach der Stelle, an welcher sein Vater auf der Erde lag. Ich war überzeugt, daß die Überraschung beide zu unvorsichtigen Äußerungen bringen werde, hatte mich aber darin getäuscht, denn als sie einander erblickten, sprach keiner von ihnen ein Wort, gerade als ob sie es so verabredet hätten.
Jonathan Melton, der Sohn, hatte sich natürlich sagen können, daß man ihn seinem Vater gegenüberstellen werde, und also vollständig Zeit gehabt, sich das dabei zu beobachtende Benehmen zurechtzulegen. Er hatte für Small Hunter gelten wollen; auch sein Vater hegte die Absicht, ihn für diesen auszugeben, und er war entschlossen, bei dieser Rolle so lange wie möglich zu bleiben. Zwar hatte er von mir erfahren, daß er und sein Plan durchschaut worden waren, doch hielt er es für besser, bei der Lüge zu bleiben, als ein Geständnis abzulegen. Und was Thomas Melton, den Vater, betraf, so war dieser zu erfahren, zu hart gesotten und für alle Sättel so gerecht, daß er nicht durch die Überraschung zu einer Unvorsichtigkeit verleitet werden konnte, zumal er sich nach dem Gespräch mit mir recht gut sagen mochte, daß ich auf irgendeine Art zu seinem Sohn in Beziehung stehen mußte, weil ich über Dinge unterrichtet war, die ich nur von diesem erfahren haben konnte.
Also sie sahen sich erstaunt an, sagten aber dabei kein Wort.
„Nun, kennt ihr euch?“ fragte ich.
„Natürlich kennen wir uns“, antwortete Thomas Melton, indem sein geschwollenes Gesicht sich zu einem triumphierenden Grinsen verzerrte.
„So? Das ist gut! Also sagt mir doch einmal, wer ist dieser junge Mann?“
„Das ist Small Hunter, mit welchem mein Sohn einige Zeit gereist ist.“
„Schön! Und Ihr, junger Mann, sagt mir nun, wer dieser Gefangene ist!“
„Das ist Thomas Melton, der Vater meines früheren Reisebegleiters“, antwortete der Gefragte.
„Das habt ihr beide sehr gut gemacht! Vom Standpunkt der Schurkerei muß ich euch das lobendste Zeugnis ausstellen. Nur schade, daß ich hier dieses besitze. Der Inhalt wirft eure ganze List und Festigkeit über den Haufen.“
„Was ist's?“ fragte der Alte.
Ich hatte das Portefeuille des Jungen aus der Tasche genommen und vorgezeigt und antwortete:
„Das werdet Ihr schon noch erfahren, Thomas Melton. Und alles, was Ihr Euch von Small Hunter angeeignet habt, werde ich Euch bald zeigen.“
„Zeigt es doch!“ lachte er.
„Ich finde es noch!“
„So sucht, soviel und wo Ihr wollt! Mich aber laßt nun endlich mal in Ruhe mit diesen Euern Dummheiten!“
Er drehte sich um, und ich sah ein, daß es allerdings Zeit war, abzubrechen. Aber zusammenlassen durfte ich die beiden nicht, da sie sich sonst ganz gemütlich hätten besprechen können; der junge Melton wurde wieder fortgeführt.
SECHSTES KAPITEL
Vergebliche Jagd
Es war mir über allen Zweifel erhaben, daß Thomas Melton den Nachlaß Hunters irgendwo versteckt hatte, und ich nahm mir vor, den betreffenden Ort zu suchen. Der Scharfsinn Winnetous und Emerys mußten mir dabei von großem Nutzen sein. Vorher aber galt es, das erwähnte Dokument über den Befund der Leiche Hunters aufzusetzen. Das dazu nötige Papier war im Gepäck Krüger-Beis vorhanden. Das Schriftstück wurde in arabischer und englischer Sprache verfaßt und von uns unterschrieben. Krüger-Bei und der Scheik untersiegelten es außerdem noch mit ihrem Chawatim (Siegelring). Ich glaubte, daß es drüben in den Vereinigten Staaten die gewünschte Geltung finden werde.
Eigentlich hatten wir nun die beabsichtigte Nachforschung beginnen wollen, doch ließ uns der Scheik jetzt noch nicht dazu kommen, denn er sagte:
„Ich habe meinen Vertrag erfüllt, und werde auch später Wort halten; nun aber bitte ich, daß auch ihr das eure tut!“
„Was meinst du?“ fragte ich.
„Uns die Uled Ayun übergeben.“
„Du sollst sie haben, doch nur unter der Bedingung, daß sie ihr Leben erkaufen dürfen.“
„Das sollen sie. Bringt sie herbei! Ich werde die Versammlung der Ältesten berufen, in welcher den Ayun unsere Forderungen bekanntgegeben werden
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