38 - Satan und Ischariot II
das ist, so tut uns nicht das Herzeleid an, bei uns vorüberzureiten. Eßt von unseren Speisen, und trinkt von unserem Wasser! Ihr seid uns so willkommen, als ob der Herr der Heerscharen sich selbst bei euch befände!“
„Wie ist der Name eures Scheiks?“
„Welad en Nari; ich bin es selbst.“
„Du also bist der Scheik der tapferen und gastfreundlichen Meidscheri? Dann müssen wir deiner Einladung Folge leisten. Zwar haben auch wir große Eile, aber soviel Zeit, wie nötig ist, unsere Schläuche mit frischem Wasser von euch zu füllen, können wir dir doch schenken.“
„Und von der Gazelle, welche wir gestern geschossen haben, müßt ihr auch kosten. Ich bitte euch, uns nach unserem Bet es Sijara (Haus des Besuches) zu folgen!“
Der Scheik wendete sein Pferd den erwähnten Höhen zu; wir schlossen uns ihm an, und seine Leute folgten hinter uns drein. Gesprochen wurde jetzt nicht mehr. Nach der Sitte des Landes mußten wir warten, bis wir wieder angeredet wurden. Das legte uns aber nicht die Verpflichtung auf, auch unter uns zu schweigen. Darum übersetzte ich Winnetou, was ich mit dem Anführer gesprochen hatte. Er warf ihm einen forschenden Blick zu und fragte mich dann:
„Gefällt der Mann meinem Bruder?“
„Hm! Wenigstens mißfällt er mir nicht. Warum fragst du so?“
„Ein dichter Bart bedeckt sein ganzes Gesicht, aber für Winnetou ist der Bart doch ein Schleier, durch welchen man blicken kann.“
„Was siehst du da?“
„Die Freude, daß wir mit ihm reiten.“
„Das ist doch natürlich! Er hat uns eingeladen und freut sich darüber, daß wir seinen Wunsch erfüllen.“
„Aber es ist eine böse Freude! Winnetou hat kein Vertrauen zu dem Mann!“
„Und ich denke, daß kein Grund zur Besorgnis vorhanden ist. Die Meidscheri sind, wenigstens jetzt, friedlich gesinnte Leute.“
„So mag mein Bruder vertrauen; Winnetou aber wird vorsichtig sein!“
Ich hegte wirklich kein Mißtrauen; das war aber noch kein Grund für mich, die übliche Vorsicht aus den Augen zu setzen. Ich war gewohnt, sehr viel auf die Ansichten des Apachen zu geben; also konnte auch sein Mißtrauen nicht ohne Eindruck auf uns bleiben.
Wir hatten jetzt die Anhöhen erreicht und ritten über sie hinweg. Hinter ihnen senkte sich jählings der Boden, um ein Tal zu bilden, dessen Breite da, wo wir hielten, eine Viertelstunde betragen konnte. Das war das Wadi Budawas, welches, wie ich gehört hatte, eine Länge von mehreren Stunden oder gar Meilen besitzt.
Es gab am diesseitigen Ufer eine Stelle, welche nicht so steil war; da ritten wir hinab. Man sah, daß das Wadi zur Regenzeit einen Fluß bildete; jetzt aber war es eine grünende Talmulde, welche zahlreiche feuchte Stellen enthielt, wo man nur einige Fuß tief zu graben brauchte, um trinkbares Wasser zu erhalten.
Wir ritten eine kurze Strecke abwärts, kamen um eine Krümmung und sahen nun das eigenartige Leben eines afrikanischen Hirtenlagers sich vor uns entwickeln. Das Wadi war hier viel breiter als vorher und trug Gras, welches beinahe saftig genannt werden konnte. Soweit wir blicken konnten, sahen wir Pferde, Schafe, Ziegen, Rinder und Kamele, welche nach vielen Tausenden zählten. Dazwischen gab es so wenig Hirten, daß es zu verwundern war, wie die wenigen Leute so viele Tiere in Ordnung zu erhalten vermochten. Auch einige Zelte waren zu sehen, welche wohl den reichen Herdenbesitzern gehörten; die ärmeren Beduinen mußten im Freien nächtigen, was die Leute aber gewohnt sind.
Die Hirten, an denen wir vorüberkamen, erhoben sich respektvoll von der Erde und grüßten uns, indem sie sich verneigten. Das schien auf Winnetou einen beruhigenden Eindruck zu machen, denn der Ausdruck seines Gesichtes wurde immer weniger streng, als er vorher gewesen war.
Wir ritten jetzt über Felsen, in denen sich eine schmale Spalte befand, nach welcher der Scheik sein Pferd lenkte. Einige Schritte vor derselben hielt er an, stieg ab und sagte:
„Willkommen in unserem Wadi! Hier ist das Haus des Besuches, in welchem alle unsere Gäste bewirtet werden. Es ist kühl und erquickt den Ermüdeten. Tretet mit mir ein und sättigt euch an den Speisen, welche uns sogleich vorgesetzt werden!“
Seine Begleiter stiegen auch ab, und wir taten dasselbe, doch folgten wir nicht gleich seiner Aufforderung, sondern musterten zunächst unsere Umgebung. Oberhalb der Stelle, an welcher wir uns befanden, lagen wiederkäuend vielleicht ein Dutzend prächtiger Reitkamele, wie ich sie hier zu
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