38 - Satan und Ischariot II
gefüllte Kalebassen, welche wir austranken; ein zweiter kam mit vier Tschibuks, einem Tabaksbeutel und einem kleinen Holzkohlenbecken. Der Scheik stopfte die Pfeifen selbst, gewiß eine außerordentlich seltene Ehrenerweisung, legte eigenhändig glühende Kohlen auf den Tabak, reichte jedem von uns eine Pfeife und meinte:
„Raucht mit mir! Der Tabak gibt Wolken des Duftes, welche die Seele zum Himmel heben. Bald werden auch die Speisen kommen.“
Wir folgten seinem Beispiel und seiner Aufforderung und rauchten ein Kraut, welches den Verhältnissen angemessen gar nicht übel war; das taten wir wortlos, da unser Wirt nicht sprach. Vielleicht hielt er das Schweigen für seiner Würde angemessen, vielleicht auch für einen Erweis seiner Höflichkeit und Ehrerbietung gegen uns.
Wir hatten die Tschibuks noch nicht ausgeraucht, so kam einer der Hirten wieder und brachte eine Schüssel mit kaltem Kuskussu, welche er auf das Tischchen stellte.
„Wie steht es mit dem Fleisch, Selim?“ fragte ihn der Scheik.
„Ich werde es gleich bringen“, antwortete der Gefragte, indem er sich entfernte.
„So bring doch auch gleich – – –“
Er unterbrach sich, denn Selim war schon hinaus.
„Selim, Selim, hörst du!“ rief er ihm nach.
Es folgte keine Antwort: da sprang er auf und eilte an den Spalt, um Selim den beabsichtigten Befehl nachzurufen. Wir hatten kein Arg und hinderten ihn also nicht, sich auf so wenige Schritte zu entfernen.
„Selim, Selim!“ wiederholte er, indem er ganz hinaustrat.
„Herein muß er, herein!“ meinte Winnetou, obgleich er nicht arabisch verstand.
Er sprang auf, um den Scheik zu fassen und hereinzuziehen, konnte seine Absicht aber nicht ausführen, denn noch ehe er die Öffnung ganz erreicht hatte, geschah draußen ein dumpfer Fall und die Spalte schloß sich. Man hatte den vorhin beschriebenen, so eigenartig geformten Stein umgeworfen, und er stand nun gerade, vor der Spalte, so hart vor derselben, daß man kaum einen Finger zwischen ihn und den Felsen stecken konnte.
„Heigh-ho!“ rief Emery, indem er aufsprang.
„Winnetou hat es geahnt“, meinte der Apache, indem er zurückkehrte und sich so ruhig wieder niedersetzte, als ob nichts geschehen sei.
Ich sagte gar nichts. Draußen aber ließ sich ein Jubelschrei von vielen Stimmen hören. Es mußten jetzt viel mehr Menschen da sein, als wir vorhin gesehen hatten.
„Ich glaube gar, wir sind gefangen!“ zürnte der Engländer.
Ich sagte auch jetzt noch nichts.
„So antworte doch!“ forderte er mich auf. „Ich glaube, wir sind gefangen!“
„Ist uns ganz recht! Warum haben wir nicht auf Winnetou gehört!“
„Well! Aber es gab keinen Grund zum Mißtrauen. Der Herr der Heerscharen hat selbst versichert, daß wir von den Meidscheri nichts zu fürchten haben!“
„Sind es Meidscheri?“
„Sie sagten es doch!“
„Der Scheik hat uns belogen. Wenn er wirklich zu diesem Stamm gehörte, würde er uns nicht in diese Falle gelockt haben!“
„Richtig! Aber zu welchem Stamm soll er dann gehören?“
„Höchstwahrscheinlich zu den Uled Ayun.“
„Das wäre für uns fatal! Aber dennoch kann ich nicht begreifen, warum er uns gefangennimmt. Er kennt uns nicht; er hat uns nicht einmal nach unseren Namen gefragt.“
„Er kennt uns! Die beiden Meltons sind ja hier gewesen, oder sie befinden sich möglicherweise sogar jetzt noch hier.“
„All devils!“
„Sie sind, wenn ich mich nun nicht abermals irre, hier auf die Uled Ayuns getroffen und haben ihnen erzählt, was drüben im Warr und bei dem Engpaß geschehen ist. Sie haben ihnen gesagt, daß der Scheik der Ayuns mit seinen Begleitern gefangen worden ist und einen so hohen Blutpreis zahlen soll; sie sind überzeugt, daß wir sie verfolgen werden, und haben dies den Ayuns mitgeteilt. Sie haben den Leuten mitgeteilt, daß wir an allem Schuld sind, haben ihnen unsere Namen gesagt und unsere Personen beschrieben. Darauf haben die Ayuns uns erwartet, sich hinterlistigerweise für Meidscheri ausgegeben und uns hier in das Loch gelockt.“
„Der Teufel danke es ihnen! Also darum stand der Stein so sonderbar da draußen! Er lag auf seiner Spitze. Man brauchte ihm nur einen Stoß zu geben, so fiel er um und stellte sich gerade vor die Spalte. Sollte er nur für uns hingestellt worden sein?“
„Nein, denn da wäre er erst seit heute früh hierhergewälzt worden, und wir hätten die Spuren davon gesehen; das wäre mir sofort aufgefallen, und ich hätte mich dann
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