38 - Satan und Ischariot II
gehütet, hereinzugehen. Der Stein gehört jedenfalls schon seit langer Zeit zu der Falle, in welcher wohl schon mancher andere Mann gesteckt haben mag.“
„Aber dann die außerordentliche Schlechtigkeit des Scheiks! Hat er nicht mit uns Wasser getrunken, mit uns geraucht? Wir sind also unbedingt seine Gäste, für welche er wie für sich selbst einzustehen hat! Wie willst du eine so grund- und bodenlose Schlechtigkeit erklären?“
„Damit, daß er erfahren hat, daß wir keine Moslemim sind. Er ist der Ansicht, daß man ‚Ungläubige‘ betrügen darf, ohne sich ein Gewissen darüber machen zu müssen.“
„Ah, ist das so! Aber wir haben Farad el Aswad, den Scheik der Uled Ayun, gefangen, der den Blutpreis zahlen soll, und der Welad en Nari nennt sich auch einen Scheik derselben, wenn du nämlich nicht falsch vermutest. Wie willst du dir das erklären?“
„Dadurch, daß er der Scheik einer Abteilung der Ayun ist. Er wird uns einen falschen Namen genannt haben.“
„Was hältst du von unserer Lage? Ist sie gefährlich?“
„Das kommt darauf an, ob sich die beiden Meltons noch hier befinden. Sind sie noch da, so dringen sie jedenfalls auf unseren Tod und werden uns so außerordentlich streng bewachen, daß das Entkommen gewiß ein großes Kunststück genannt werden müßte.“
„Was hältst du für wahrscheinlich, ob sie noch hier oder ob sie fort sind?“
„Das letztere, weil sie keine Zeit übrig haben. Hier droht ihnen von allen Seiten die Gefahr, während ihnen drüben in den Vereinigten Staaten, wenn sie sich beeilen, ein großes Vermögen fast sicher ist.“
„Well! Ich bin auch der Meinung. Aber wie kommen wir hinaus? Und dann, wenn wir draußen sind, wie kommen wir fort?“
„Durch List oder mit Gewalt. Warten wir erst, was die Menschen tun werden, welche uns hier eingesperrt haben!“
„Das brauchen wir nicht. Deine beiden Gewehre halten uns alle Feinde fern. Sie müssen weit fort, um von der Kugel deines Bärentöters nicht erreicht zu werden, und dann haben wir ihre Schießbüchsen nicht zu fürchten.“
„Aber dennoch sind viele Hunde des Hasen Tod. Und selbst wenn ich dir auch unbedingt beistimmen wollte, wie kommen wir hinaus?“
„Da, wo wir hereingekommen sind! Der Stein ist zehn, höchstens zwölf Zentner schwer. Drei Männer, wie wir sind, werden ihn doch wegbringen können! Für den Mann vier Zentner!“
„Ja, wenn wir Platz genug hätten, unsere Kräfte zu entfalten!“
„Versuchen wir es wenigstens!“
Winnetou hatte uns zugehört, ohne ein Wort dazu zu sagen, jetzt meinte er:
„Der Stein ist nicht fortzuschieben. Meine Brüder brauchen den Versuch gar nicht zu machen.“
„Probieren wir es dennoch!“ bestand Emery auf seinem Willen. „Wir dürfen nichts, gar nichts unterlassen.“
Ich zweifelte nicht im geringsten daran, daß wir drei zusammen imstande wären, einen Stein von zwölf Zentnern Schwere von der Stelle zu bewegen, hier aber war ich ebenso überzeugt, daß wir es nicht vermochten. Winnetou folgte gutmütig der Aufforderung des Englishman. Er legte sich mit ihm in die Spalte, Rücken gegen Rücken, denn wegen der Enge derselben hatten sie nicht anders Platz; sie stemmten ihre Schultern gegen den Stein. Ich beugte mich über sie nach vorn und half. Wir vereinigten alle unsere Kräfte zu mehreren gewaltigen Stößen, doch vergeblich, denn die Kraft traf nicht nur den Stein, sondern auch die beiden Seiten der Felsenspalte; es ging also soviel von ihr verloren, daß es uns nicht gelang, dem Stein auch nur den kleinsten Ruck zu geben.
„Lassen wir ab!“ keuchte Emery. „Wir bringen ihn wirklich nicht von der Stelle.“
Und als jetzt draußen sich ein mehrstimmiges Hohngelächter hören ließ, fuhr er grimmig fort:
„Hört ihr's! Sie horchen draußen! Sie haben unsere Anstrengung bemerkt und lachen uns aus! Hätte ich die Lacher hier, das Lachen sollte ihnen augenblicklich vergehen! Mit Gewalt ist allerdings nichts auszurichten; das sehe ich ein. Also müssen wir zur List unsere Zuflucht nehmen. Aber wie?!“
„Habe es doch nicht so eilig!“ bat ich ihn. „Sinnen und Überlegen bringt auch gute Gedanken.“
„Oft auch nicht. Wie wollen wir die Kerls überlisten, wenn wir hier stecken und sie draußen sind!“
„Mein Bruder mag, wie Scharlih ihm schon gesagt hat, warten“, meinte der Apache in nachdrücklicher Weise. „Winnetou ahnt einen Ausweg und wird versuchen, ob derselbe möglich ist.“
„Welchen Ausweg?“
„Merkt mein
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