38 - Satan und Ischariot II
verbitten muß!“
„Es ist Tatsache.“
„So bin entweder ich nicht bei Sinnen, oder Sie alle sind verrückt geworden. Sag, Judith, ist's wahr, was ich höre? Du willst als Frau bei der roten ‚Schlange‘ bleiben?“
„Ja“, nickte sie erhaben. „Ich werde Königin der Yumas sein.“
„Wirklich, wirklich? Es ist keine Lüge?“
Mir wurde himmelangst, denn ich sah, daß er sich in einer Aufregung befand, welche sich von Wort zu Wort steigerte. Auch konnte der Kolbenhieb, den er auf den Kopf erhalten hatte, vielleicht nicht ohne Wirkung auf sein Gehirn geblieben sein; ich wollte ihm eine beruhigende Antwort geben, aber das Mädchen, welches zur Unzeit herbeigekommen war, erwiderte schneller als ich:
„Deinetwegen mache ich keine Lüge. Ich habe mich mit dem Häuptling verlobt, und du kannst deines Weges gehen!“
Da traten seine Augen wild hervor; er ballte die Fäuste und blickte suchend nach dem Häuptling aus. Die Katastrophe war da. Er sah ihn unfern bei einer Gruppe von Yumas stehen, begann, sich den Weg durch die Umstehenden zu bahnen, und schnaubte:
„Also doch, doch, doch! Macht Platz, macht Platz! Ich muß mit dem Kerl reden, aber mit den Fäusten. Ich bin einmal beim Erwürgen; er soll der nächste sein und den Wellers folgen.“
Es stand fest, daß er seine Worte wahrmachen würde, wenn es ihm gelang, den Häuptling zu erreichen; ich drang ihm also nach, hielt ihn von hinten fest und rief:
„Bleiben Sie, Sie Unglücksmensch! Die Sache ist nicht zu ändern; der Häuptling steht unter meinem Schutz, und wer ihn anrührt, dem gebe ich eine Kugel!“
Er wandte sich zu mir um, nahm mich mit einem vor Aufregung vollständig verzerrten Gesicht in die Augen und zischte mich zwischen den zusammengepreßten Zähnen heraus an:
„Kerl, laß mich, sonst nehme ich dich selbst zwischen die Finger! Oder meinst du, weil sich alle anderen vor dir fürchten, daß du es auch mit mir aufnehmen kannst?“
Es war ihm jetzt jede Tat zuzutrauen. Die anderen wichen von ihm zurück; ich zog meinen Revolver und antwortete:
„Solange wir Frieden halten, haben wir uns beide nicht voreinander zu fürchten; aber wenn Sie nur einen einzigen Schritt zu mir her oder nach dem Häuptling tun, bekommen Sie alle diese sechs Kugeln in den Kopf. Sie sind jetzt ein wütendes Tier und müssen als solches behandelt werden. Es gibt Millionen Mädchen auf der Welt. Schicken sie sich in das Unvermeidliche; nehmen Sie Verstand an und beruhigen Sie sich!“
Ich sprach diese Aufforderung in begütigendem Ton aus. Er verzog sein Gesicht zu einem unbeschreiblichen, krampfartigen Grinsen und meinte:
„Beruhigen! Ja, ich will mich beruhigen und vielleicht werden auch andere mit mir ruhig werden. Also, Sie sagen, die Sache ist nicht mehr zu ändern?“
„Es ist so, wie ich sage.“
„Es war Bedingung, daß Judith die Frau des Roten wird? Und Sie werden den Häuptling beschützen?“
„Nicht nur ich allein, sondern überhaupt alle, die sich hier befinden. Es wird Ihnen nicht gelingen, ihn zu erreichen, ihn auch nur zu berühren, denn jeder von uns ist bereit, Sie augenblicklich niederzustrecken. Es ist das unsere Pflicht. Wir können unmöglich zugeben, daß ein einzelner einer überspannten Neigung wegen den Frieden bricht und die Gefahr noch größer heraufbeschwört, als sie vorher gewesen ist. Wenn Sie den Häuptling töten oder auch nur verletzen, werden seine Leute augenblicklich über uns herfallen!“
„Und da fürchten Sie sich? Hört es, ihr Leute, der berühmte Shatterhand fürchtet sich; er hat Angst! Doch es ist ja ganz richtig so; eure Haut darf nicht geritzt werden; ihr dürft keinen Tropfen euers kostbaren Blutes verlieren, und auch von dem lieben Häuptling soll nicht soviel genommen werden, wie unter einem Fingernagel steckt. Ich aber, ihr Memmen, fürchte mich nicht vor dem Blut und werde euch dies beweisen. Der Rote soll, weil ihr euch so um ihn ängstigt, heiliggehalten werden, und ich werde ruhig sein, und Judith, seine Braut, soll ebenso ruhig werden. Her mit der Schlüsselbüchse, welche ihr doch nicht zu gebrauchen versteht, ihr Feiglinge!“
Der Jurisconsulto stand mit dem Haziendero in seiner unmittelbaren Nähe; der erstere war, wie schon erwähnt, ganz lächerlicherweise bis an die Zähne bewaffnet, auch mit einem Revolver, und der Haziendero trug auch einen solchen in seinem Gürtel. Mit einem schnellen Griff bekam der Athlet diese beiden Waffen in seine Hände, richtete die eine auf Judith,
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