39 - Satan und Ischariot III
gerichtet; da sahen wir fünf Reiter, welche auf die Stelle zukamen, an der wir uns befanden. Sie hatten uns jedenfalls noch nicht bemerkt, denn sie waren noch sehr entfernt von uns, und wir hielten im Gebüsch, welches die Quelle umgab. Wir sprangen von den Pferden und nahmen die Gewehre zur Hand, obgleich wir vor den wenigen Menschen keine Sorge zu haben brauchten. Hinter dem Gesträuch versteckt, erwarteten wir sie.
Sie ritten sehr gute Pferde, hatten keine Gewehre, dafür aber, wie es schien, volle Proviantbeutel hinter sich aufgeschnallt.
„Kundschafter“, sagte ich infolgedessen.
„Der Nijoras“, nickte Winnetou dazu. „Sie tragen keine Farben, doch können sie zu keinem anderen Stamm gehören. Sie sind unsere Freunde, dennoch müssen wir ihnen eine Lehre geben.“
Er hatte recht. Kundschafter müssen zehnfach vorsichtig sein. Und diese? Selbst als sie nahe genug gekommen waren, bemerkten sie nicht, daß Leute sich an der Quelle befanden. Uns selbst zwar konnten sie nicht sehen, aber wir waren doch zuletzt über grünes Land gekommen, und für ein scharfes Auge war unsere Fährte trotz der Niedrigkeit des Grases wie ein dunkler Strich zu sehen. Wenigstens das durfte ihnen nicht entgehen. Sie aber kamen in einer so sicheren Haltung heran, als ob sie sich in der nächsten und sicheren Umgebung ihres Lagerdorfes befänden. Als sie noch ungefähr zwanzig Schritte entfernt waren, steckten wir unsere Gewehre durch die Büsche, und Winnetou rief ihnen in dem Dialekt, welchen die Mogollons sprechen, entgegen:
„Halt! Keinen Schritt vorwärts, und aber auch keinen zurück, sonst schießen wir!“
Sie parierten erschrocken ihre Pferde und starrten ratlos auf das Gebüsch.
„Wer von euch sein Pferd wendet, erhält die erste Kugel!“ drohte Winnetou. „Steigt ab und werft eure Messer weg!“ Sie sahen unsere Läufe; ich hatte sogar alle beide Gewehre vorgestreckt. Da fragte der eine:
„Wer ist's, der hinter den Sträuchern verborgen steckt?“
„Wir sind zehn tapfere Krieger der Mogollons. Wir haben sehr gute Gewehre. Ihr seid verloren, wenn ihr nicht gehorcht! Ihr könnt weder vorwärts noch zurück; unsere Kugeln treffen sicher!“
„Uff! Der große Manitou hat uns verlassen. Er will, daß wir Gefangene der Mogollons werden sollen; aber unsere Brüder werden uns befreien!“
Der Sprecher stieg vom Pferd, zog sein Messer und warf es hinter sich; die anderen folgten seinem Beispiel. Nun standen sie vor ihren Pferden und warteten ergeben auf das, was ihre Feinde tun würden, da trat Winnetou vor. Er hielt sein Gewehr, aber gesenkt, in den Händen und sagte in strafendem Ton:
„Sind Leute, welche dem Tod so blind entgegenlaufen, Krieger zu nennen? Sind sie gar als Kundschafter zu gebrauchen?“
„Uff, uff!“ rief einer. „Winnetou, der Häuptling der Apachen!“
„Ihr sollt erkunden, was die Mogollons tun, und haltet die Augen verschlossen und reitet so blind vorwärts!“
„Wir wissen, daß die Mogollons erst in drei Tagen ausziehen wollen“, suchte er sich zu entschuldigen.
„Ist das ein Grund, blind zu sein? Wenn auch die Scharen der Mogollons noch nicht hier sein können, so müßt ihr doch daran denken, daß sie auch Kundschafter aussenden. Ihr handelt wie Knaben, welche noch keine Anleitung erhalten haben. Wenn wir wirklich Feinde wären, so würdet ihr nie zu den Eurigen zurückkehren; wir würden euch erschießen, oder ihr müßtet mit uns gehen, um an dem Marterpfahl zu sterben.“
„Unser großer Bruder mag uns augenblicklich töten! Das ist besser, als die Worte zu hören, welche er zu uns spricht!“
Das war nicht etwa eine Redensart, sondern sein voller Ernst. Von Winnetou, dem weitberühmten Krieger, auf einer solchen Nachlässigkeit ertappt und zurechtgewiesen zu werden, noch dazu als Kundschafter, das war eine große Schande! Die armen Teufel blickten außerordentlich niedergeschlagen zu Boden. Das erbarmte den Apachen, und er antwortete in milderem Ton:
„Winnetou ist nicht euer Häuptling; er will euch nicht schelten, sondern euch nur darauf aufmerksam machen, daß man, auch im Frieden, selbst in der Nähe des eigenen Zeltes stets die Augen offenzuhalten hat. Wer hat euch auf Kundschaft gesandt?“
„Der ‚Schnelle Pfeil‘, unser Häuptling.“
„Hat er jemand mitgebracht?“
„Ein junges Bleichgesicht und einen weißen Gefangenen, den unsere Krieger sehr streng bewachen müssen.“
„Wißt ihr, wer ihm diese übergeben hat?“
„Ja.“
„So wißt ihr
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