39 - Satan und Ischariot III
ihr Gesicht nahm einen viel ernsteren Ausdruck als vorher an, als sie antwortete:
„Millionärin? Ich mag es nicht wieder sein, wenigstens nicht um den Preis, den ich damals dafür bezahlen mußte. Ich sah sehr bald ein, daß ich verblendet gewesen war. Und von meinen Erfolgen sprechen Sie? Glauben Sie ja nicht, daß sie imstande sind, mich trunken zu machen! Sie wissen, daß ich schon damals lieber daheim, als öffentlich singen wollte. Mein Ideal war nicht das einer Sängerin, die jeder hören darf, der das Entrée bezahlt. Und noch viel lieber wäre es mir heute, wenn ich damals von dem Kapellmeister nicht ‚entdeckt‘ worden wäre. Er nahm mich unter einen Zwang, dem nur sehr schwer zu widerstehen war. Hätte er das nicht getan, so wäre ich eine arme Punktiererin geblieben und –“
Sie zögerte, weiterzusprechen; da ich aber nichts sagte, fuhr sie fort:
„Und wäre vielleicht trotzdem glücklich geworden oder vielmehr so glücklich geblieben, wie ich zu jener Zeit war.“
„Hoffentlich darf ich Sie nicht zu den Unglücklichen rechnen!“
Da schlug sie die Augen wieder auf, blickte sinnend über mich hinweg und antwortete:
„Was heißt Glück und was Unglück? Man darf Glück nicht mit immerwährender Wonne und Unglück nicht mit einem fortgesetzten Seelenschmerz vergleichen. Fragen Sie mich aber, ob ich zufrieden bin, dann antworte ich mit einem Ja, wenn ich mich dazu zwinge.“
Das Gespräch schien eine etwas peinliche Wendung zu nehmen; darum war es mir lieb, daß jetzt ihr Bruder kam. Er hatte ein Paket unter dem Arm, legte es auf den Tisch, deutete mit der Linken darauf, reichte mir die Rechte und sagte in frohem Ton:
„Herzlich willkommen, Herr Doktor! Wer hätte so etwas ahnen können! Ich war starr vor Erstaunen, aber auch vor Freude, als ich Sie erblickte. Nun wollen wir aber auch das Willkommen feiern. Dazu habe ich etwas mitgebracht. Raten Sie, was!“
„Wein jedenfalls?“
„Ja, aber was für welchen? Da, lesen Sie!“
„Riedesheimer Berg!“ las ich.
„Ja“, nickte er lachend, indem er mir die Flasche noch näher hielt. „Nun wundern Sie sich wohl?“
„Nein, gar nicht. Ich ärgere mich vielmehr.“
„Worüber?“
„Weil er falsch ist.“
„Erst kosten, erst kosten!“
„Ist nicht nötig, denn sogar die Etikette ist gefälscht, denn der Ort heißt Rüdesheim, nicht aber Riedesheim.“
„Ah!“ machte er enttäuscht, indem er das Etikett genauer betrachtete. „Das habe ich gar nicht bemerkt.“
„Ein famoser, orthographischer Schnitzer! Wenn das Etikett hier hüben gedruckt worden ist, wo mag dann da erst der Wein zusammengequirlt worden sein! Wieviel haben Sie für die Flasche bezahlt?“
„Fünfzehn Dollars.“
„Zwei Flaschen?“
„Eine!“
„So! Da geht es noch. Es gibt Rüdesheimer, für welchen man sogar drüben an der Quelle weit mehr bezahlt. Die dreißig Dollars lassen sich verschmerzen. Also versuchen wir den famosen Rüdesheimer!“
Er hatte drei Gläser gefüllt. Wir stießen an und führten sie an den Mund. Die beiden Geschwister nahmen einen Schluck und machten dann unheimliche Gesichter. Ich trank aber gar nicht, denn ich hatte schon von dem Geruch genug. Das war ja der reine Essig- und Rosinenmoder! Wir setzten die Gläser auf den Tisch, und Franz Vogel schimpfte.
„Darüber lassen Sie sich ja keine grauen Haare wachsen!“ sagte ich. „Ich bin nicht zu Ihnen gekommen, um zu trinken. Schütten Sie das Zeug weg, und setzen Sie sich! Wir haben von etwas Besserem zu sprechen.“
„Ja, von Ihren Erfolgen drüben in Ägypten!“ meinte er, indem er mich in großer Spannung anblickte. „Die Aufgabe war zu schwer. Ich bin überzeugt, daß Sie nichts ausgerichtet haben. Es wäre ja dem klügsten Menschen der Erde unmöglich, den Gesuchten auf die wenigen und nebelhaften Anhaltspunkte hin, welche es gab, zu finden.“
„Hm! Im Nebel rennen oft Leute ganz zufällig zusammen, welche sich bei reiner, klarer Luft wahrscheinlich nicht gesehen hätten!“
„Wie – was? Sagen Sie so? Das läßt vermuten, daß Ihre Reise doch nicht ganz vergeblich gewesen ist?“
„Das läßt vermuten, daß ich Ihre Frau Schwester zu etwas zwingen werde, was ihr sehr zuwider zu sein scheint.“
„Zu was?“
„Sie behauptete vorhin, als Sie noch nicht hier waren, daß sie keine Lust habe, wieder Millionärin zu werden.“
„Millionärin?! Ist es etwa das, wozu Sie sie zwingen wollen?“
„Ja. Ich nehme meine Worte in vollstem Ernst.“
„Das
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