39 - Satan und Ischariot III
ankommen wird?“
„Wahrscheinlich.“
„Dann bitte, kaufen Sie zwei Pferde und einen Damensattel!“
„Verstehe ich Sie recht? Sie wollen ein Pferd für sich?“
„Ja, ich reite mit Ihnen.“
„Das ist unmöglich, ganz und gar unmöglich!“
„Gewiß nicht! Die Jüdin bringt dasselbe fertig.“
„Die sitzt im Wagen. Das ist etwas anderes.“
Sie ließ sich aber von mir nicht zurückweisen; Emery mußte innerlich über ihren Wunsch lachen, blieb aber äußerlich ernst und höflich; er wollte nicht Nein sagen, und so wiesen wir sie an Winnetou, indem wir überzeugt waren, daß es ihm besser als uns gelingen werde, ihr ihre Bitte abzuschlagen, ohne sie dadurch zu beleidigen. Und das gelang ihm auch.
Der Angriff der jungen, unternehmungslustigen Frau war also siegreich abgeschlagen. Winnetou, Emery und ich nahmen von Martha Abschied; die beiden ersteren begaben sich heim; ich aber ging mit Vogel noch auf die späte Suche nach einem Pferd und den anderen Gegenständen, welche er brauchte. Wir mußten verschiedene Misters, Masters und Señores aus dem Schlaf wecken, und wegen der Störung der Nachtruhe verschiedene Dollar und Pesos mehr bezahlen. Besondere Mühe verursachte uns das Pferd. Alte, abgetriebene Ziegenböcke konnten wir genug und überall bekommen, aber kein Tier, wie wir es brauchten. Erst als wir die achte, neunte oder zehnte Tür fast eingeschlagen und die Bewohner vom Lager aufgeklopft hatten, kamen wir zu einem braven Mann, welcher uns, weil er sah, daß wir Not darum hatten, einen zwar alten, aber sonst noch ganz gelenkigen Braunen, welcher vierzig Dollars wert war, für ‚lumpige‘ achtzig überließ. Vogel zögerte gar nicht, den Preis zu zahlen. Seine Konzerte hatten soviel eingebracht, daß er sich die Ausgabe gestatten konnte.
Dabei war es so spät geworden, daß ihm, da er noch Vorbereitungen zu treffen hatte, keine Zeit zum Schlaf übrigblieb. Eine Stunde nach Tagesanbruch holte er uns ab; wir ritten über den Fluß nach Atrisco hinüber, und dann südwestlich dem Rio Puerco zu.
Es ist nicht nötig, die Einzelheiten des Rittes zu beschreiben; erwähnt sei nur, daß Vogel als Reiter sich recht leidlich hielt, wenn wir auch seinetwegen langsamer reiten mußten, da sein Pferd mit unseren Comanchenrossen nicht immer gleichen Schritt zu halten vermochte. Hier und da gab es Stellen, denen die Fährte zweier Pferde deutlich eingeprägt war; das war jedenfalls die Spur der Brüder Melton. Sie hatten den Vorsprung einer ganzen Nacht vor uns; aber gewisse untrügliche Anzeichen verrieten, daß wir uns ihnen zwar langsam, aber unausgesetzt näherten. Hätten wir Vogel nicht bei uns gehabt, so wären wir durch einen Parforceritt schnell an sie herangekommen.
Am Abend des zweiten Tages erreichten wir Acoma, ein altes Indianerpueblo, wo die Meltons gewiß auch angehalten hatten.
Unter Pueblos versteht man die festen, burgartigen Städte der alten seßhaften Bevölkerung des Landes; man zählt ihrer in New-Mexiko nur noch etwa zwanzig; die bedeutendsten sind Taos, Laguna, Isleta und Acoma. Man darf sich unter den alten Städten oder Dörfern nicht Ortschaften mit einzelnstehenden Häusern oder Häuserreihen und Gassen denken. Sie wurden, um Schutz gegen feindliche Überfälle zu bieten, als Burgen errichtet; sie sind auch Burgen, aber in architektonischer Beziehung nicht in unserem Sinn des Wortes. Sie sind schwerfällige Lehm- oder Felsenbauten, je nachdem dieses oder jenes Material vorhanden war, ohne Stil und äußere Gliederung, wenn man nicht das Gliederung nennt, daß jedes höhere Stockwerk über dem unteren zurücktritt.
Man denke sich zwei weit auseinanderstehende Felsenwände, zwischen denen einst größere oder kleinere Blöcke lagen. Die Blöcke wurden nebeneinander gewälzt und mit Lehm verbunden, bis eine Mauer entstand, welche von der einen Felsenwand bis an die andere reichte und die Höhe eines Stockwerkes hatte. In der Mauer gab es weder Tür- noch Fensteröffnung. Der Raum zwischen ihr und den Felswänden wurde durch weitere Lang- und Querwände aus Lehm in eine beliebige Anzahl von Vierecken zerlegt, und dann das ganze mit einer dicken Lehmschicht zugedeckt. In der Lehmdecke befanden sich Löcher, welche als Eingang in die Vierecke und Wohnungen dienten. Über dem Erdgeschoß wurde aus demselben Material und in derselben Weise ein erstes, zweites, drittes usw. Stockwerk errichtet, doch so, daß jedes höhere Stockwerk einige oder mehrere Meter zurückweicht, und also in
Weitere Kostenlose Bücher