4. Die Rinucci Brüder: Lass die Sonne in dein Herz
kann ich dir nicht bieten.“
„Was würde denn passieren, wenn du eines Nachts viel zu spät nach Hause kommst und ich dich mit dem Nudelholz erwarte? Du würdest dich doch verteidigen, oder?“
„Eine solche Situation würde es gar nicht geben. Wir würden nur zusammen spät nach Hause kommen.“
„Heißt das, du würdest dich nie wehren?“, fragte sie gespielt entsetzt.
„Ich wüsste gar nicht, wie ich das machen sollte“, antwortete er lammfromm. „Ich bin so erzogen, mich der Frau, die im Haus das Sagen hat, nicht zu widersetzen.“
„Dann willst du nicht mein Herr und Gebieter sein?“
„Du meine Güte, nein!“
„Komm, sei ein Mann!“
„Wenn das bedeutet, ein Mann zu sein, bin ich lieber ein Mäuserich – und du bist meine Maus.“ Gegen diesen Scherzbold komme ich einfach nicht an, dachte sie belustigt. Er brachte sie immer wieder zum Lachen.
Doch dann fügte er ernst hinzu: „Ich habe kein Verständnis für Männer, die glauben, ihre Männlichkeit beweisen zu müssen, indem sie Frauen einschüchtern und unterdrücken.“ Seine Antwort erinnerte sie daran, wie unwiderstehlich sie seine ruhige Art, seine Charakterstärke und sein sanftes Wesen fand. Vor allem wegen dieser Eigenschaften liebte sie ihn. Dass sie sich körperlich so sehr zueinander hingezogen fühlten, war eher eine oberflächliche Regung. Wenn das sexuelle Verlangen eines Tages nachließ, würde das ihre Liebe zu ihm nicht berühren.
Während der Fahrt betrachtete sie immer wieder sein Profil und entdeckte Dinge, die ihr zuvor noch nicht aufgefallen waren. Sein Kinn wirkte energisch und schien so gar nicht zu der unbekümmerten Art, die er an den Tag legte, zu passen. Sie hatten sich noch nie ernsthaft gestritten und sich nach Meinungsverschiedenheiten schnell wieder versöhnt, sodass Della schon geglaubt hatte, er könnte nie richtig zornig werden. Wahrscheinlich hatte sie sich jedoch getäuscht. Er besaß bestimmt ein lebhaftes Temperament.
Als er langsamer fuhr, um einen anderen Wagen vorbeizulassen, sah er Della sekundenlang lächelnd an. Das ist das Lächeln eines glücklichen Mannes, der nicht den leisesten Zweifel hat, sein Ziel zu erreichen, dachte sie beunruhigt.
Was sollte sie machen, um ihn von seiner Idee abzubringen, ehe er sich zu sehr in seine Illusionen hineinsteigerte? Sie wusste es nicht. „Erzähl mir mehr über die Leute, die ich heute Abend kennenlerne“, bat sie ihn.
Sie war als Einzelkind aufgewachsen und hatte keine Ahnung, wie es war, so eine große Familie zu haben wie Carlo. Er hatte den Eindruck erweckt, es sei eine reine Freude, Mitglied einer Großfamilie zu sein. Doch jetzt erfuhr sie, dass seine Angehörigen sein Leben allzu sehr beherrscht und kontrolliert hätten, wenn er es zugelassen hätte.
„Deshalb habe ich mein eigenes Apartment“, erklärte er. „Ruggiero hat auch eins, und Primo und Luke hatten ebenfalls eigene Wohnungen, ehe sie heirateten. Ich habe meine Leute wirklich sehr gern, aber ich brauche einen Ort für mich allein, wo ich machen kann, was ich will.“
Nach allem, was er ihr erzählt hatte, war Della klar, dass er sich den prüfenden Blicken und den Fragen seiner Mutter entziehen wollte.
Bei ihrer Ankunft kamen mehrere Leute aus der Villa auf die Terrasse und beobachteten die Neuankömmlinge neugierig. Della konnte einen Mann und eine Frau erkennen, die sie auf Mitte
sechzig schätzte, fünf jüngere Männer und zwei junge Frauen. Alle lächelten strahlend, und als Carlo ihnen zuwinkte, winkten sie fröhlich zurück.
Schließlich kamen ihnen Hope und Toni Rinucci entgegen, und Della war sich der kritischen Blicke allzu sehr bewusst. Carlos Mutter entging nichts, obwohl sie zu höflich war, um Della ungeniert zu mustern. Hope begrüßte sie freundlich und mit wohldosiertem Lächeln, dem Herzlichkeit und Wärme fehlten, wie Della deutlich spürte. Sie begrüßte die ältere Dame genauso freundlich und
zurückhaltend.
Sie war sich nicht sicher, ob Carlo die Reaktion seiner Mutter bemerkt hatte, denn in dem Moment trafen Sol und Myra ein, und alle waren abgelenkt.
Della stellte ihren Sohn vor, und Hopes Lächeln wirkte beim Anblick des jungen Mannes noch aufgesetzter. Aber sie hatte sich perfekt unter Kontrolle und würde niemals ihre wahren Gefühle preisgeben, dessen war Della sich sicher.
Myra hingegen sorgte für eine kleine Sensation. Das kurze Kleid mit dem tiefen Dekolleté und dem noch tieferen Rückenausschnitt war ein wahrer Blickfang. So stelle
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