4 Meister-Psychos
vor, nicht empfindlich zu sein und ihn so zu nehmen,
wie er nun einmal war.
Es war unmöglich.
Am 1. Dezember kam eine neue
Assistentin. Es war nichts Anziehendes an ihr, und Peters behandelte sie
entsprechend.
Er machte es uns so schwer wie
möglich.
Termine und Verabredungen hielt
er nicht ein. Er bestellte Patienten, ohne uns Bescheid zu geben, und wenn sie
erschienen, standen wir ahnungslos da und hatten nichts vorbereitet.
Wir räumten das Labor unzählige
Male auf; immer wieder brachte er in kürzester Zeit alles durcheinander. Die
Gummihandschuhe waren ständig verbraucht, die Glasgeräte verschmutzt, die
Zählrohre verseucht.
Ohne Rücksicht auf den
Routinebetrieb benützte er alles, was er für seine Experimente brauchte.
Seine Planlosigkeit schaffte
groteske Situationen.
Eines Tages bestellte er per
Expreß hundert junge männliche Ratten. Er trieb uns zur größten Eile an und ließ
mich zwei Telegramme absenden. Er wollte eine längere Versuchsreihe starten,
die keinen Aufschub vertrug.
Die Ratten kamen. Sie füllten
sämtliche Käfige, aber Peters begann nicht mit dem Versuch. Auf einmal war er
nicht mehr so wichtig. Die Ratten wurden fett, bösartig und starben schließlich
an Altersschwäche. Der wissenschaftliche Fonds war um zweihundertfünfzig Mark
ärmer.
Alles das hätte ich
hingenommen. Aber ich merkte, daß er seine Fehler mit unserer Nachlässigkeit zu
erklären versuchte und uns für Versager verantwortlich machen wollte, die er
selbst verschuldet hatte. Ich erfuhr, daß er sich bei anderen Kollegen über
unsere mangelnde Mitarbeit und Einsatzbereitschaft beklagte.
Hatte ich gehofft, daß er sich
nach unserer Auseinandersetzung mehr an die Wahrheit halten würde, stellte sich
das nun als ein Irrtum heraus.
Er log schamlos weiter und
stellte eindeutige Tatbestände einfach auf den Kopf. Er bestellte uns
irgendwohin, ließ uns warten, behauptete hinterher, in irgendeinem Institut
gewesen zu sein, obwohl ich dort angerufen und erfahren hatte, daß das nicht
stimmte. Er vergaß, radioaktive Präparate rechtzeitig zu bestellen, und wollte
uns glauben machen, das Anforderungsschreiben sei verlorengegangen. Er nahm
Krankengeschichten an sich, fand sie in der haarsträubenden Unordnung seines
Zimmers nicht wieder und bestritt dann, sie jemals geholt zu haben.
Ich mußte täglich fünfmal mit
der Verwaltung telefonieren, um unsere Bestände notdürftig zu ergänzen und die
Sachbearbeiter zu beruhigen, deren Schreiben er nicht beantwortet hatte.
Unsere Abteilung war im ganzen
Institut verschrien. Peters’ Auftreten, seine Unzuverlässigkeit, seine Arroganz
hatten ihn überall verhaßt gemacht. Es war bekannt, daß niemand dem
Isotopenlabor etwas leihen wollte. Was Peters sich lieh, sah niemand mehr
wieder. Also bekam auch ich keine Spritze und kein Becherglas mehr, wenn ich
darum bat. Man erwartete von mir nichts anderes als von ihm.
Das alles tat er mit
selbstverständlicher, zynischer Unverschämtheit, die mich immer von neuem
erstaunte. Er lächelte und lächelte und war doch ein Schurke.
Fräulein Anders, die neue
Assistentin, verließ uns nach einem Monat. Ich konnte es ihr nachfühlen. Mit
Peters zusammenzuarbeiten erforderte überdurchschnittliche Nerven. Nach einem
tränenreichen Auftritt war sie gegangen. Sie befand sich noch innerhalb der
Probezeit und konnte von einem Tag zum anderen kündigen.
Peters war wütend. Er redete
von Undankbarkeit und Hysterie.
Es kam ihm gar nicht in den
Sinn, daß er die Ursache ihres Ausscheidens sein könnte. Nie hätte er eine
Schuld bei sich selbst gesucht.
Ich stand wieder allein der
Unordnung und dem Rattengestank gegenüber, räumte Peters alles nach und nahm
die Gespräche der Freundinnen entgegen.
Manchmal besuchte ihn eine von
ihnen im Institut, und ich konnte beobachten, wie er mit ihnen umging. Es war
beschämend.
Er ließ sie sitzen und warten,
sprach absichtlich mit mir über unerhebliche Dinge, die wir ebensogut hätten
später besprechen oder völlig beiseite lassen können. So wollte er seine
Überlastung und ihre Unwichtigkeit zugleich demonstrieren.
Die Mädchen schreckte das nicht
ab. Im Gegenteil. Sie hingen an seinen Lippen und lauschten voller Ehrfurcht
seinen Worten. Wenn wir dann endlich fertig waren, zeigte er ihnen das
Institut, und ich vernahm zum hundertsten Male, daß die Unordnung dem geplanten
Umbau zuzuschreiben wäre.
Es kam soweit, daß ich froh
war, wenn ich ihn nicht sah. Meine Abneigung schlug in
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