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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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sich gerissen, wie immer. Ich war völlig ausgeschaltet. Vera hörte ihm zu,
während wir nach vorn gingen. Er erzählte von unserer Arbeit und vom Institut,
und sein dozierender Ton ging mir auf die Nerven. Er bemühte sich, Vera so oft
wie möglich zum Lachen zu bringen. Ich blieb stumm.
    Mir war erst wohler, als wir in
meinem Zimmer standen. Ich legte meine Hände auf Veras Arme.
    »Jetzt kann ich dir erst
richtig guten Tag sagen!«
    »Hast du etwas, Stephan?«
fragte sie.
    Ich ließ sie los.
    »Ach nein. Es war nur — ich
wollte an unserem ersten Abend mit dir allein sein. Nun müssen wir dorthin.«
    »Aber, warum nicht, mein
Guter?« rief sie. »Ich geh’ doch mit dir.«
    »Aber ich habe dann nur die
Hälfte von dir«, sagte ich.
    Sie sah mich prüfend an.
    »Kannst du ihn nicht leiden?«
    »Wie kommst du darauf?« fragte
ich.
    »Weiß nicht. Habe so das
Gefühl!«
    Ich antwortete nicht. Ich weiß
nicht mehr, warum ich ihr nicht gleich meine Meinung über Peters sagte.
    Sie ging im Zimmer umher und
blieb dann plötzlich vor mir stehen. »Stimmt es?«
    Ich rückte an meiner Brille und
versuchte zu lächeln.
    »Warum interessiert dich das
so?«
    »Ich will es eben wissen.«
    »Gefällt er dir?« fragte ich,
um sie abzulenken.
    »Nun — er sieht nett aus. Redet
ein bißchen viel.«
    »Ich kenne ihn nur vom Dienst
her«, sagte ich. »Es ist das erste Mal, daß er mich einlädt.«
    »Ein gutes Zeichen«, sagte Vera
fröhlich. »Ich werde dich rausstreichen heute abend. Du wirst bestimmt noch was
in eurem Laden.«
    »Ich kann mir was Besseres
vorstellen«, sagte ich leise.
    »So, was denn?«
    Ich antwortete nicht. Sie trat
näher zu mir heran.
    »Schönen Dank übrigens für
deinen Brief.«
    »Hat er dir gefallen?«
    »Hat er. Du, das war ja ein
richtiger Liebesbrief.«
    »Wirklich?« meinte ich. Ich
wurde verlegen. Mein Blick wich ihr aus.
    »Ja, Ich wußte gar nicht, daß
du so etwas kannst.«
    »Ich wußte es auch nicht,
Vera.«
    Sie nahm mich bei den Ohren und
küßte mich ganz sanft auf die Lippen. Es geschah schnell und war wie ein Hauch,
aber mir lief ein beseligender Feuerstrom durch das Blut.
    Wir setzten uns.
    Vera erzählte mir ihre
Erlebnisse und fragte nach den meinen. Ich erfuhr, daß sie eine Stelle an
unserer Kinderklinik in Aussicht hätte. Am Montag müßte sie sich vorstellen.
    Ich war verwirrt vor Freude.
    Sie würde hierbleiben, in
meiner Nähe. Ich sah meine kühnsten Hoffnungen in Erfüllung gehen.
    »Das ist herrlich, Vera«, sagte
ich. »Das ist die größte Freude für mich, seitdem ich hier bin. Jetzt macht es
mir auch nichts mehr aus, daß wir zu Peters gehen.«
    Sie lachte.
    »Na also. Ich weiß aber noch
gar nicht, ob sie michj nehmen.«
    »Sie nehmen dich«, sagte sie
überzeugt. »Sie nehmen! dich bestimmt. Sie brauchen dich nur zu sehen.«
    »Auf die Arbeit mit den Kindern
freue ich mich.« Sie t rückte zu mir heran und machte Kulleraugen. »Du’~ wenn
sie was Wissenschaftliches von mir haben wollen, hilfst du mir dann wieder?«
    Ich versuchte, streng
auszusehen.
    »Das ist unerlaubtes Tun,
Fräulein Doktor.«
    Sie kam noch näher.
    »Wirklich, Herr Professor?«
    Ich rückte an der Brille.
    »In gewissen Fällen sind
Ausnahmen — die Regel...«
    »Wunderbar«, hauchte sie in
mein Ohr.
    Ich berührte ihre Wange mit den
Lippen.
    »Natürlich mache ich’s, Vera.
Wenn’s sein muß an Sonn- und Feiertagen.«
    Ich wollte sie in den Arm
nehmen. Aber ich zögerte einen Augenblick und einen Augenblick zu lange. Vera
richtete sich auf und warf einen erschrockenen Blick auf die Uhr.
    »Du, jetzt muß ich aber gehen!
Tante Sophie wird schon die Hände ringen!«
    »Ich hole dich ab«, sagte ich.
»Halb acht. Ist das genug Zeit zum Schönmachen?«
    »Dicke genug.«
    Ich half ihr in den Mantel,
brachte sie zur Tür und sah ihr vom Fenster aus nach.
    Während ich mich umzog,
überdachte ich die veränderte Lage. Vera war da. Sie würde hierbleiben. Alles
würde gutgehen. Wer konnte mir noch etwas anhaben? Peters! Sollte ich mich noch
über ihn ärgern? Von jetzt ab nicht mehr. Plötzlich überfiel mich ein Gedanke,
so lähmend und schwer, daß ich meine Krawatte, die ich gerade binden wollte,
loslassen und mich niedersetzen mußte. Ich stützte die Ellenbogen auf die Knie.
Meine Blicke fuhren den gewundenen Mustern des Teppichs nach.
    Wenn Vera sich in Peters
verliebte?
    Warum hatte sie seine Einladung
nicht abgelehnt?
    Ich preßte die Handflächen
gegen die Stirn und wehrte mich dagegen, den

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