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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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keine Freunde. Die einzige Vertraute dieser Zeit war Vera. Sie studierte
Medizin wie ich, blieb aber nur die ersten Semester an meiner Universität. Wir
kamen häufig zusammen. Sie war ein bildhübsches Mädchen geworden, voller Leben
und Freude. An sie denke ich gern, wenn Erinnerungen an meine Kindheit mich
überkommen. Ich verehrte sie schüchtern und geduldig und war überglücklich,
wenn ich ihr ein medizinisches Problem erklären durfte. Manchmal konnte ich sie
begleiten. Dann ging ich stolz an ihrer Seite und freute mich über die
bewundernden Blicke, die sie erntete. Ich nahm mir vor, sie eines Tages zu
besitzen und für dieses Ziel alle Kräfte einzusetzen. Was andere an
Draufgängertum und Aussehen zu bieten hatten, wollte ich durch Beharrlichkeit
und berufliche Leistung ausgleichen. Heute weiß ich, daß das ein Trugschluß
war.
    Vera verließ die Stadt nach
zwei Semestern. Sie schrieb mir regelmäßig, und ich antwortete in langen
Briefen, die ich erst im Konzept entwarf und sorgfältig ausfeilte.
    Ich ging zum vorgeschriebenen
Termin ins Examen und bestand »mit höchstem Lob«. Das gleiche Prädikat erhielt
ich für meine Doktorarbeit, die ein Thema der Dosismessung von Röntgenstrahlen
behandelte.
    Während der vorgeschriebenen
Pflichtassistentenzeit arbeitete ich in den Kliniken, die mir schon vertraut
waren.
    Ich bekenne, daß ich auf meine
Doktorwürde mehr hielt als andere. Mein Titel war die Stütze, die mir half,
Häßlichkeit und Schüchternheit leichter zu ertragen.
    Ich fand Gelegenheit, Vera
einen wertvollen Dienst zu erweisen. Sie hatte ihr Examen mit einiger
Verzögerung bestanden, und ihre Dissertation war darüber liegengeblieben. Für
wissenschaftliche Arbeit fehlten ihr Begeisterung und Fleiß. Dazu hatte sie ein
Thema bekommen, das zeitraubende Beschäftigung mit der Spezialliteratur
voraussetzte. Sie kam damit nicht zurecht. Voller Freude, ihr helfen zu können,
verstieß ich gegen das Gebot, niemandem beim Abfassen seiner Doktorarbeit zu
unterstützen. Ich trug die Literatur zusammen, entwarf die Gliederung und
brachte Ordnung in ihre krausen Notizen und wirren Gedanken. Die Arbeit ging
durch.
    Vera gab mir einen Kuß und
nannte mich ihren besten, rührendsten Freund. Bald darauf fuhr sie in einen
längeren Urlaub. Ich brachte sie zum Zug und winkte verloren hinter den
Schlußlichtern her.

II
     
     
    Ich bekam die Vollapprobation
und stand vor der Frage, in welchem Fach ich Weiterarbeiten wollte. Die
Entscheidung war leicht. Meine Arbeit hatte ein röntgenologisches Thema
behandelt. Durch sie war ich diesem Fach schon während des Studiums
nahegekommen. Die Sauberkeit der täglichen Arbeit erhob es über andere Zweige
der Medizin. Das Gebiet der künstlich radioaktiven Substanzen war Neuland, auf
dem eher Lorbeeren zu ernten waren als anderswo.
    Ich bewarb mich am
Zentralröntgeninstitut von Professor Paulus. Eine Planstelle war nicht frei.
Aber ich konnte als Volontär Unterkommen. An ein bescheidenes Einkommen war ich
gewöhnt. Der Zufall wollte es, daß ich zuerst der Isotopenabteilung zugeteilt
wurde, was mein heimlicher Wunsch gewesen war.
    Es wäre besser gewesen, wenn
ich diese Abteilung nie betreten hätte.
    So aber klopfte ich an einem
kalten Novembertag an die Tür des Isotopenlabors und sah Claus Peters zum
erstenmal.
    Er saß am Schreibtisch, mit dem
Gesicht zum Fenster, und wandte mir den Rücken zu. Als ich näher trat, drehte
er sich um und stand auf.
    Mit dem ersten Blick sah ich,
daß er alles besaß, was mir versagt war. Vom Namen angefangen.
    Er überragte mich um zwei
Köpfe. Sein weißer Mantel war nach Maß gearbeitet und ließ breite Schultern und
schmale Hüften erkennen, das Gegenteil der meinen. Er hatte ein längliches
etwas lausbubenhaftes Gesicht und dunkles, gescheiteltes Haar. Seine Stirn war
hoch und gewölbt. Die Augen darunter verblüfften und verwirrten mich. Sie waren
von einem hellen, strahlenden Blau, als könnten sie auch im Dunkeln leuchten.
Er lachte mich an, gewinnend und herzlich. Mir ging es wie immer. Ich
umkrampfte den Griff meiner Aktenmappe, murmelte »Butterweis« und errötete.
    »Ja«, sagte er gedehnt und
fröhlich, »Herr Butterweis. Das ist ja sehr schön. Peters.«
    Seine Hand war warm und
kräftig.
    »Bitte schön — wenn Sie hier
Ihre Sachen hinhängen wollen...«
    Er öffnete einen Wandschrank.
    »Oh, danke sehr«, sagte ich
nickend und beflissen.
    »Bitte — wenn Sie vielleicht
hier Platz nehmen würden...«
    Mir fiel

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