4 - Wächter der Ewigkeit
beiden jungen Männer in seiner Begleitung – entweder Bodyguards oder entfernte Verwandte, wahrscheinlich aber beides in Personalunion – starrten mich aufmerksam an. Im Zwielicht war die achtlos gewirkte Maske Timurs von mir abgefallen. Und der unbekannte Russe, der mit ausgebreiteten Armen auf ihren Chef zuging, musste ein natürliches Misstrauen auf den Plan rufen.
»Ach! Ewig nicht gesehen!«, rief ich. »Meines Vaters alter Freund!«
Leider war er rund zwanzig Jahre älter als ich. Sonst hätte ich auf die Version des Klassenkameraden zurückgegriffen oder auf eine Phrase wie »Erinnerst du dich noch an unsere Zeit bei der Armee, Bruder?« vertraut. Mit der gemeinsamen Armeezeit musste man in letzter Zeit allerdings vorsichtig sein. Ein Mensch konnte verrückt werden bei dem Versuch, sich an die gemeinsame Militärzeit zu erinnern beziehungsweise eine Erklärung dafür zu finden, wie dergleichen überhaupt möglich sein sollte – wo er sich doch für einen Packen grüner Scheine amerikanischer Provenienz ehrlich von der Armee freigekauft hatte. Einige hatten aus diesem Grund schon eine ernsthafte Neurose entwickelt.
»Meines alten Freundes Sohn!«, zeigte sich der Mann erfreut, während er mich in die Arme schloss. »Wo bist du nur so lange gewesen?«
Jetzt kam das Entscheidende: Man musste dem Menschen ein paar Informationsbrocken hinwerfen. Den Rest würde er sich dann selbst zusammenbasteln.
»Ich? Ich habe in Mariupol bei der Großmutter gelebt!«, erklärte ich. »Wie freue ich mich, dich zu sehen! Du bist ein bedeutender Mann geworden!«
Daraufhin umarmten wir uns. Der Mann verströmte einen angenehmen Duft nach Schaschlik und teurem Eau de Cologne. Nach etwas zu viel Eau de Cologne.
»Was du für ein schönes Auto hast!«, bemerkte ich dann mit einem wohlwollenden Blick auf den Jeep. »Ist es das, was du mir verkaufen wolltest?«
In den Augen des Mannes flackerte Schmerz auf, doch der »Alte Freundschaft rostet nicht«-Zauber ließ ihm keine Wahl. Er sollte lieber Geser dankbar sein, dass dieser uns vor der Reise so großzügig mit Geld versorgt hatte. Sonst hätte ich den Mann nämlich bitten müssen, mir den Toyota zu schenken.
»Ja … das ist es …«, bestätigte er voller Schmerz.
»Nimm das!« Ich öffnete die Tasche, holte vier Dollarbündel heraus und drückte sie ihm in die Hand. »Und jetzt gib mir bitte die Schlüssel! Ich habe es sehr, sehr eilig!«
»Es … es kostet aber mehr …«, brachte der Mann in unglücklichem Ton hervor.
»Komm schon, schließlich kaufe ich es gebraucht!«, widersprach ich. »Oder etwa nicht?«
»Stimmt …«, räumte er gequält ein.
»Onkel Farhad!«, rief einer der jungen Männer entsetzt aus.
Als Farhad ihn daraufhin streng anblickte, verstummte er.
»Misch dich nicht ein, wenn erwachsene Menschen sich unterhalten, bereite mir vor meines alten Freundes Sohn keine Schande!«, krächzte Farhad. »Was soll meines alten Freundes Sohn denn denken?«
Die jungen Männer gerieten in Panik. Sagten jedoch kein Wort.
Unterdessen nahm ich von dem Mann die Schlüssel entgegen und setzte mich hinters Steuer. Atmete den Geruch der neuen Lederbezüge ein. Und äugte misstrauisch auf das Armaturenbrett. Ach ja … gebraucht. Wenn man den Angaben glauben durfte, hatte das Auto erst dreihundert Kilometer hinter sich.
Anschließend winkte ich der nunmehr autolosen, doch mit vierzigtausend Dollar zurückbleibenden Troika zu, um mich sogleich in den Verkehr einzufädeln.
»Kommt aus dem Zwielicht raus!«, befahl ich.
Auf der leeren Rückbank tauchten Afandi und Alischer auf.
»Ich hätte ihm noch ein wenig Glück spendiert«, bemerkte • Alischer. »Sonst macht er nachher zu viel durch. Selbst wenn er! kein sehr angenehmer, sondern ein böser Mensch ist. Trotzdem.«
»Jeder überflüssige Zauber steigert das Risiko, dass er den Verstand verliert.« Ich schüttelte den Kopf. »Mach dir keine Sorgen. Er und ich sind, wenn du so willst, quitt. Er wird es schon überstehen.«
»Warten wir auf Edgar?«, fragte Alischer. »Oder sollen wir die Lichten suchen?«
Doch darüber hatte ich schon nachgedacht. Keine der beiden Varianten überzeugte mich.
»Nein, das würde nichts bringen. Wir fahren gleich zu dieser Stelle in die Berge. Je weiter wir von den Menschen weg sind, desto beruhigter bin ich.« Als es dämmerte, löste Alischer mich am Steuer ab. Von Samarkand aus fuhren wir bereits seit drei Stunden nach Süden, Richtung afghanische Grenze. Pünktlich zu
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