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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Einbruch der Dämmerung verwandelte sich die fürchterliche Asphaltstraße in einen grauenvollen Feldweg. Ich machte es mir auf dem Rücksitz bequem, wo Afandi friedlich schnarchte, und beschloss, dem Beispiel des Alten zu folgen. Doch bevor ich einnickte, holte ich aus meiner Tasche einige Kampfamulette.
    Novizen lieben alle Arten von magischen Stäben, Kristallen und Messern, seien es nun die von ihnen selbst geschaffenen Stücke oder solche, die von einem erfahreneren Magier aufgeladen worden sind. Übrigens kann selbst ein schwacher, unerfahrener Magier, der sich ein paar Tage hingebungsvoll der Anfertigung eines Artefakts und seiner Aufladung mit Kraft widmet, verblüffende Effekte erzielen. Bedauerlich dabei ist nur, dass es eben bloß ein Effekt ist, ein gewaltiger, nachhaltiger, präziser Effekt. Aber ein einzelner. Man kann einen Gegenstand nicht mit zwei unterschiedlichen Zaubern belegen. Ein magischer Stab, der eine Flamme werfen soll, bewältigt diese Aufgabe selbst in den Händen eines schwachen Anderen hervorragend. Wenn sein Gegner jedoch durchschaut, was Sache ist, und einen Schild zum Schutz gegen Feuer aufstellt, wird der Stab mit all seinen Feuerwundern nutzlos. Er kann nicht gefrieren, austrocknen oder den Gegner auf den Kopf stellen. Deshalb muss man entweder ein Ersatzfeuer bereithalten oder mit dem Stab wie mit einem Knüppel dreinschlagen. Nicht zufällig greifen junge Magier, die es mit Menschen zu tun haben – und gerade schwache Magier neigen dazu, sich in die Angelegenheiten der Menschen einzumischen oder diese in ihre eigenen Belange zu verstricken –, stets zu einem Zauberstab, einem Zwitterding zwischen einem gewöhnlich Stab und einem langen Knüppel. Und seien wir ehrlich: Einige wissen den Knüppel weitaus besser zu handhaben als die Magie. Ich erinnere mich noch, wie die ganze Wache zur Premiere vom Herrn der Ringe ins Puschkin-Kino gegangen ist. Wir genossen den Film so lange, bis der Lichte Gandalf und der Dunkle Saruman sich mithilfe ihrer Kampfstöcke prügelten. In dem Moment brachen die zwei Reihen, in denen wir Anderen saßen, in homerisches Gelächter aus. Vor allem die Praktikanten, denen jeden Tag eingetrichtert wurde: Ein Magier, der sich auf Artefakte verlässt, schielt auf den schönen Effekt, schert sich aber einen Dreck um die Effizienz. Die wahre Kraft eines Magiers liegt nämlich in seiner Fertigkeit, sich das Zwielicht zunutze zu machen und Zauber zu wirken.
    Freilich gibt es für jede Regel eine Ausnahme. Wenn ein versierter Magier aufweiche Weise auch immer die Zukunft zu bestimmen vermag – durch eine kundige Analyse der Wahrscheinlichkeitslinien oder schlicht aufgrund seiner Erfahrung –, dann kann ein magisch aufgeladenes Artefakt von unersetzlichem Wert sein. Du bist überzeugt davon, dass dein Gegner ein Tiermensch ist, der die Kraft nicht direkt beeinflussen kann, sondern auf körperliche Stärke und Schnelligkeit vertraut? Dann nimm ein Beschleunigungsamulett, einen Anhänger mit einem auf Annäherung reagierenden Schild und einen einfachen Stab (viele Andere manipulieren gern einen schlichten Bleistift, denn Holz und Grafit speichern die Kraft ganz vorzüglich) mit einem Gefrierzauber. Mehr nicht! Dann kannst du ruhig einen Magier siebten Grades Jagd auf einen Hohen Tiermenschen machen lassen. Der Schild fängt den Angriff ab, das Amulett verleiht den Bewegungen des Magiers unglaubliche Schnelligkeit, und der Freeze, der temporäre Gefrierzauber, verwandelt den Feind in einen reglosen Klumpen aus Fell und Wut. Danach braucht man den Feind nur noch abtransportieren zu lassen, damit er vor das Gericht der Inquisition gestellt werden kann.
    Die Artefakte in meiner Tasche waren wesentlich wertvoller als das Geld, das sich dort noch fand. Geser persönlich hatte sie angefertigt … Und selbst wenn er sie nicht eigenhändig geschaffen hatte, so hatte er sie zumindest aus dem Spezialdepot der Waffenkammer ausgewählt. Somit durfte ich nicht nur auf ihre Stärke vertrauen, sondern auch darauf, dass sie mir helfen würden. Mir fiel ein uralter australischer Zeichentrickfilm ein, den ich noch aus meiner Kindheit kannte: In achtzig Tagen um die Welt. Der unerschütterliche englische Gentleman Phileas Fogg, der die Welt in dieser für damalige Verhältnisse Rekordzeit umrunden möchte, sah in dem Zeichentrickfilm wie ein gerissener Wahrsager aus, der genau wusste, was er in den nächsten Stunden benötigen würde. Wenn er sich morgens einen Schraubenschlüssel,

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