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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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kleben aneinander und zerquetschen zwischen eisigen Mühlsteinen die vor Schmerzen schreienden Menschen und die in ihrer Angst betäubten Anderen.
    Die Welt erstarrt.
    Dann verzieht sich der weiße Dunst. Es bleibt nur die Asche, die vom Himmel fällt. Es bleibt der glühende Boden. Und es bleiben die versteinerten Figuren der Anderen – bizarre, überhaupt nicht an Menschen gemahnende Körper, gefangen in Granit und Sandstein, erhärtet und entstellt. Ein Tiermensch, der sich gerade in einen Tiger verwandelt, ein Vampir, der hinfällt, Magier, die in dem vergeblichen Versuch, sich zu verteidigen, die Arme erheben …
    Von den Menschen bleibt rein gar nichts zurück. Das Zwielicht hat sie geschluckt, verdaut und in nichts verwandelt.
    Rustam und mich schüttelt es. Mit den Fingernägeln haben wir einander die Haut blutig gekratzt. Sei’s drum. Wir wollen ohnehin seit langem Brüderschaft schließen.
    »Merlin hat gesagt, die Anderen würden in die siebte, die unterste Schicht des Zwielichts geworfen …«, bringt Rustam mit leiser Stimme hervor. »Er hat sich geirrt. Doch so ist es … auch nicht schlecht … An diese Schlacht … wird man noch in Jahrhunderten denken. Eine ruhmreiche Schlacht.«
    »Schau«, fordere ich ihn auf. »Schau … Bruder.«
    Rustam sieht genauer hin, nicht mit den Augen, sondern so, wie nur wir es können. Wir Anderen. Und erbleicht.
    Dieser Schlacht würde man nicht noch in Jahrhunderten gedenken. Nie wieder würden wir ein Wort über sie verlieren.
    Den Feind zu töten ist ruhmreich. Ihn zu Qualen zu verdammen eine Gemeinheit. Ihn zu ewigen Qualen zu verdammen eine ewige Gemeinheit.
    Sie alle sind noch am Leben. In Stein verwandelt, jeder Bewegungsfähigkeit und Kraft, des Bewusstseins und Sehvermögens, des Gehörs und aller den Menschen und den Anderen zugänglichen Gefühle beraubt.
    Doch sie leben und werden leben, bis sich der Stein in Staub verwandelt hat. Vielleicht sogar noch länger.
    Wir sehen ihre zuckenden lebendigen Auren. Wir sehen ihr Erstaunen, ihre Angst, ihren Zorn.
    Wir werden nicht stolz auf diese Schlacht sein.
    Nie wieder werden wir sie erwähnen.
    Und niemals wieder werden wir diese fremden, schneidenden Worte aussprechen, die den Weißen Höhenrauch heraufbeschwören … Warum schaute ich von unten zu Alischer hinauf? Und wieso war über seinem Kopf die Decke?
    »Bist du wieder bei Bewusstsein, Anton?«
    Ich stemmte mich auf die Ellbogen hoch. Sah mich um.
    Im Orient geht es kompliziert zu. Der Orient kann sehr diskret sein. In der Teestube tat man so, als habe man meine Ohnmacht nicht bemerkt. Man überließ es Alischer, sich um mich zu kümmern.
    »Der Weiße Höhenrauch«, wiederholte ich.
    »Ja doch, ich hab’s verstanden«, meinte Alischer nickend. Er war ernstlich besorgt. »Ich habe mich getäuscht, nicht Höhlenrauch, sondern Höhenrauch. Entschuldige. Aber weshalb bist du gleich in Ohnmacht gefallen?«
    »Rustam und Geser haben den Weißen Höhenrauch gemeinsam angewandt«, berichtete ich. »Vor drei Jahren … kurz gesagt, Geser hat mir den Zauber beigebracht. Gründlich. Er hat seine Erinnerung mit mir geteilt. Aber … erst jetzt erinnere ich mich, wie alles gewesen ist.«
    »Ist er wirklich so schlimm?«, wollte Alischer wissen.
    »Ja. Ich will nicht dort hinfahren.«
    »Das Ganze hat sich vor langer Zeit ereignet«, beruhigte mich Alischer. »Alles ist vorüber, ist sehr, sehr lange her, in Vergessenheit geraten …«
    »Schön wär’s …«, setzte ich an, brach dann aber ab. Falls Alischer Pech haben würde, würde er alles mit eigenen Augen sehen und verstehen. Denn zum Plateau der Dämonen mussten wir wohl oder übel fahren. Der Rustam aus meinen geliehenen Erinnerungen hatte nichts mit Afandi gemein.
    Genau in diesem Moment kehrte Afandi von der Toilette zurück. Er setzte sich auf sein Kissen und sah mich an. »Ruhst du dich ein wenig aus?«, fragte er gutmütig. »Es ist aber noch zu früh zum Schlafen, das machen wir erst nach dem Pilaw.«
    »Da bin ich mir nicht sicher«, meinte ich, während ich mich aufsetzte.
    »Was ist die Zivilisation doch für eine segensreiche Einrichtung!«, fuhr Afandi fort, als habe er meine Worte nicht gehört. »Ihr seid noch jung, ihr wisst nicht, wie viel Gutes die Zivilisation dieser Welt gebracht hat.«
    »Es wird doch wohl nicht etwa eine Glühbirne im Klo gebrannt haben?«, brummte ich. »Alischer, der Kellner soll sich mit dem Pilaw ein wenig beeilen, ja?«
    Alischer runzelte die Stirn. »In der Tat

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