4 - Wächter der Ewigkeit
ein ausgestopftes Opossum und eine Bananenstaude einpackte, dann würde er gegen Abend die Bananen einem Affen im Austausch gegen die Fahrkarten für das Schiff gegeben, mit dem Opossum ein Leck gestopft und mit dem Schraubenschlüssel jene Tür versperrt haben, durch die seine Feinde ins Zimmer einzudringen versuchten. All das erinnerte an die Quest-Spiele, wo es gilt, für jeden Gegenstand eine ungewöhnliche Anwendungsmöglichkeit zu entdecken.
Die Artefakte von Geser durfte ich ihrer eigentlichen Bestimmung gemäß oder auch in völlig überraschender Weise einsetzen. Verwendung finden würde ich für sie jedoch mit Sicherheit.
Nun breitete ich auf dem Rücksitz zwischen mir und dem schnarchenden Afandi zwölf Gegenstände aus, die ich aufmerksam betrachtete. Das hätte ich schon längst tun sollen, aber zu Hause hatte ich sie lieber nicht ausgepackt, um Nadjuschkas Neugier nicht zu wecken, im Flugzeug wollte ich nicht mit magischen Artefakten herumhantieren, und danach war einfach keine Zeit geblieben. Peinlich wäre jetzt nur, wenn sich unter den Amuletten eine Waffe gegen Golems fände.
Zwei tragbare Kampfstäbe, beide nicht länger als zehn Zentimeter. Der eine aus schwarzem Holz brachte Feuer, der zweite aus Walrosszahn Eis. Beide waren ebenso banal wie nützlich. Bislang war ich ohne sie zurechtgekommen – aber rechnen musste ich mit allem.
Vier Silberringe mit Schutzzaubern. Eine höchst merkwürdige Kollektion! Der normale Schild des Magiers schützt gegen alles, man muss ihn nur mit Energie versorgen. Schutzringe braucht ein Anderer selten. Und hier bekam ich gleich das ganze Repertoire gegen Feuer, Eis, Säure und … Vakuum. Im ersten Moment wollte ich gar nicht glauben, was ich da durchs Zwielicht sah. Dann untersuchte ich die Ringe aufmerksamer. Nein, ich hatte mich nicht getäuscht! Bei abruptem Druckabfall würde der
Ring anspringen und um seinen Träger herum für Luft zum Atmen sorgen.
Ein seltsames Ding. Sicher, es gibt einige Kampfzauber, die den Gegner ersticken, darunter auch solche, die ihm die Luft in seiner Umgebung absaugen. Worauf man in Jahrtausenden des Krieges alles kommt! Im Kampf setzte jedoch niemand diese kapriziösen und langsamen Zauber ein.
Vier Armreife. Die mir sofort einleuchteten! Vier unterschiedliche Zauber, die einen Menschen oder einen Anderen zwingen, die Wahrheit zu sagen: Beschwipste Zunge, Gespräch im Zug, Letzte Beichte und Frei-vonder-Leber-weg. Alle Amulette waren bis zum Anschlag magisch aufgeladen. Kein Rustam würde sich da widersetzen können, er würde alles erzählen, was er wusste. Nützliche Dinger.
Nach kurzer Überlegung streifte ich mir alle Armreife über die linke Hand und verband sie mit einem gemeinsamen Auslösezauber. Sollte sich Rustam sträuben, brauchte ich nur die Worte: »Sag mir die Wahrheit« zu sprechen – und den alten Magier würde ein Schlag von fürchterlicher Kraft treffen. Danach bliebe ihm nur die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit.
Zwei weitere Amulette, die der Form und dem Inhalt nach weniger banal waren, hatte Geser ohne Frage eigenhändig speziell für diese Mission angefertigt. Bei dem ersten handelte es sich um eine SIM-Karte für ein Handy, die in einer Plastikhülle steckte. Eine normale Karte, allerdings ordentlich mit Magie aufgeladen. Obwohl ich sie geraume Zeit untersuchte, kam ich einfach nicht dahinter, was es mit ihr auf sich hatte. Deshalb wagte ich ein Experiment: Ich entnahm meinem Handy die Chipkarte und steckte die magisch bearbeitete hinein.
Jetzt verstand ich überhaupt nichts mehr! Das war eine Kopie meiner SIM-Karte! Aber wozu? Damit ich kein Geld für Gespräche nach Moskau verschwendete? Quatsch …
Nachdem ich noch eine Weile gegrübelt hatte, bat ich Alischer, meine Nummer zu wählen. Komischerweise funktionierte das Handy hier noch.
Mein Mobiltelefon heulte los. Alles klar, das war in der Tat eine Kopie meiner SIM-Karte. Aber weshalb hatte Geser sie magisch manipuliert? Achselzuckend beschloss ich, die neue Karte im Handy zu lassen. Vielleicht steckte in ihr eine ausgebuffte Magie, mit der Gespräche chiffriert wurden? Selbst wenn ich von dergleichen noch nie gehört hatte.
Beim letzten Amulett handelte es sich um einen vom Meer glatt geschliffenen kleinen Stein mit einem Löchlein, einen sogenannten Hühnergott, der dem Aberglauben der Menschen zufolge Glück bringen soll. Durch das Loch war eine feine Silberkette gezogen, deren aufwendiges Geflecht an einen
Weitere Kostenlose Bücher