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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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gemacht hatte? Wozu hätte er ihn erst retten und sich dann auf ein Bündnis mit ihm einlassen sollen? Was konnte Kostja ihm bieten? Ohne das Fuaran nichts! Und das Buch war vernichtet worden, das stand außer Frage. Nach ihm hatte man genauso intensiv gesucht wie nach Kostja. Darüber hinaus hatten auch magische Mittel seine Vernichtung bewiesen. Der Kraftausstoß bei der Zerstörung eines derart starken und alten Artefakts ließ sich mit nichts vergleichen.
    Alles lief also darauf hinaus, dass Edgar – erstens – Kostja nicht gerettet haben konnte und – zweitens – dazu auch gar keine Veranlassung gehabt hatte.
    Und trotzdem. Trotzdem, trotzdem …
    Alischer parkte den Jeep und stellte den Motor ab. Die eintretende Stille schien betäubend.
    »Offenbar sind wir da«, sagte er. Er strich über das Steuer und fuhr lobend fort: »Ein gutes Auto. Ich hätte nicht gedacht, dass wir es schaffen.«
    Ich drehte mich Afandi zu, der jedoch schon aufgewacht war. Mit zusammengepressten Lippen betrachtete er die bizarren Steinfiguren, die sich vor uns erhoben.
    »Da stehen sie also immer noch«, meinte ich.
    Afandi sah mich mit echter Furcht an.
    »Ich weiß«, erklärte ich.
    »Die Geschichte ist schlecht ausgegangen«, brachte Afandi mit einem Seufzer hervor. »Eine unschöne Geschichte. Die eines Lichten nicht würdig ist.«
    »Afandi, bist du Rustam?«, fragte ich ganz direkt.
    »Nein, Anton.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht Rustam. Ich bin sein Schüler.«
    Er öffnete die Tür und stieg aus dem Jeep. Einen Moment lang schwieg er. Dann murmelte er: »Ich bin nicht Rustam. Aber ich werde Rustam sein …«
    Alischer und ich wechselten einen beredten Blick und stiegen aus.
    Es war still und frisch. In den Bergen ist die Nacht immer kühl, selbst im Sommer. Langsam brach der neue Tag an. Das Plateau, das ich aus den Erinnerungen Gesers bereits kannte, hatte sich kaum verändert. Vielleicht waren die Umrisse der Steinfiguren vom Wind und den seltenen Regengüssen ein wenig abgeschliffen worden, hatten ihre scharfen Konturen eingebüßt. Zu erkennen waren sie jedoch immer noch. Eine Gruppe von Magiern mit in der Heraufbeschwörung eines Zaubers erhobenen Armen, ein Tiermensch, ein rennender Magier …
    Ich erschauderte.
    »Was ist … ?«, flüsterte Alischer. »Was ist hier passiert … ?«
    Er kramte in seiner Tasche, suchte ein Päckchen Zigaretten und ein Feuerzeug.
    »Gib mir auch eine«, bat ich.
    Wir rauchten. Die Luft hier war so sauber, dass der scharfe Tabakgeruch wie etwas Vertrautes wirkte, das an den städtischen Smog erinnerte.
    »Waren … waren das Menschen?«, fragte Alischer, während er auf die Felsbrocken zeigte.
    »Andere«, antwortete ich.
    »Und sie …«
    »Sie sind nicht gestorben. Sie sind versteinert. Ihnen wurden alle Gefühle entzogen. Aber ihr Verstand ist ihnen geblieben, er ist in den Felsbrocken gefangen.« Ich sah zu Afandi hinüber, aber der stand einfach da, versunken in die Betrachtung des einstigen Schlachtfelds. Vielleicht spähte er auch nach Osten, wo das Himmelsgewölbe sich leicht rosa einfärbte.
    Dann besah ich mir das Plateau durchs Zwielicht.
    Ein wahrlich grauenvoller Anblick.
    Das, was Geser vor zweitausend Jahren gesehen hatte, hatte Angst und Ekel hervorgerufen. Das, was ich jetzt sah, rief Bedauern und Schmerz hervor.
    Fast alle Dunklen, die der Weiße Höhenrauch in Stein verwandelt hatte, waren wahnsinnig geworden. Ihr Verstand ertrug es nicht, vollständig von den übrigen Sinnesorganen abgeschnitten zu sein. Die zuckenden farbigen Aureolen um die Steine herum loderten in den braunen und olivgrünen Flammen des Wahnsinns. Wollte man eine Analogie finden: Es sah aus, als kreisten hundert Wahnsinnige wie toll um ein und dieselbe Stelle. Oder im Gegenteil: als stünden dort lauter Erstarrte. Alles schrie, kicherte, stöhnte, weinte, brummte, sonderte Speichel ab, zerkratzte sich das Gesicht oder versuchte, sich die Augen auszureißen.
    Nur wenige Auren hatten sich Reste von Verstand bewahrt. Vielleicht zeichnete ihre Besitzer eine phänomenale Willenskraft aus, vielleicht brannte der Rachedurst in ihnen zu heftig -Wahnsinn ließ sich in diesen Auren jedenfalls nicht feststellen. Dafür Zorn, Hass und der Wunsch, alles und jeden zu vernichten. Und zwar im Übermaß.
    Ich gab die Sicht durchs Zwielicht auf. Richtete den Blick wieder auf Alischer. Der Magier rauchte, ohne zu bemerken, dass bereits der Filter der Zigarette glomm. Erst als es ihm die Finger

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