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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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ich.
    »Für den Kühlschrank«, murmelte Semjon. »Ich kann mir schon vorstellen, was er im Kühlschrank aufbewahrt … Einen Magneten! Bring ihm ein Gläschen Strychnin mit! Misch es mit schottischem Haggis und gib es ihm.«
    »Huggies sind Windeln«, sagte ich. »Gute, wir haben sie für unsere Tochter gekauft.«
    »Haggis ist auch eine schottische Spezialität.« Semjon schüttelte den Kopf. »Obwohl … was den Geschmack angeht … da dürfte kein großer Unterschied bestehen.«

Zwei
    In unserer Zeit ist es nicht leicht, sich dem Vergnügen des Fliegens zu überlassen. Die Abstürze von veralteten Boeing-737 und Tu-154, gedankenversunkene Schweizer Fluglotsen und treffsichere ukrainische Raketenschützen sowie arabische Terroristen jeglicher Couleur – all das lädt nicht unbedingt dazu ein, die Zeit gelöst in einem komfortablen Sessel zu verbringen. Und selbst wenn der Cognac aus dem Duty-free-Shop billig ist, die Stewardess aufmerksam, Essen und Wein durchaus akzeptabel, vermag sich der Mensch kaum zu entspannen.
    Zum Glück war ich kein Mensch. Geser und Swetlana hatten sich die Wahrscheinlichkeitslinien angesehen. Außerdem war ich selbst auch in der Lage, die Zukunft einige Stunden im Voraus zu spüren. Ein problemloser, ja, ein ganz vorzüglicher Flug, eine sanfte Landung in Heathrow, den Anschlussflug nach Edinburgh würde ich bekommen …
    Insofern durfte ich mich also ruhig in meinem Sitz der Businessclass zurücklehnen – den ich vermutlich nicht der plötzlichen Großzügigkeit des Chefs zu verdanken hatte, sondern der Tatsache, dass sonst kein Ticket mehr zu kriegen war – den akzeptablen chilenischen Wein trinken und voller Mitgefühl zu der auf jugendlich getrimmten Frau gegenüber vom Gang hinübergucken. Sie litt an ungeheurer Angst. Immer wieder bekreuzigte sie sich und flüsterte lautlos ein Gebet.
    Schließlich hielt ich es nicht mehr aus, streckte mich im Zwielicht nach ihr aus und strich ihr sacht über den Kopf. Nicht mit den Händen, sondern mit meinem Bewusstsein. Ich berührte die wiederholt gefärbten Haare mit einer Sanftheit, die bei den Menschen nur Mütter kennen und die unverzüglich jeden Kummer vertreibt.
    Die Frau entspannte sich und schlief schon in der nächsten Minute ein.
    Der neben mir sitzende Mann mittleren Alters war weitaus ruhiger – und von seltener Ausgelassenheit. Geschäftig öffnete er einige kleine Flaschen Gin, die die Stewardess ihm gebracht hatte, mischte sie im soliden Verhältnis von 1:1 mit Tonic und trank sie auf ex. Danach nickte er ein. Er sah aus wie ein typischer Vertreter der Boheme: Jeans, ein Baumwollpullover, ein kurzer Bart. Ein Schriftsteller? Musiker? Regisseur? Wen London nicht alles anzog … von Geschäftsleuten und Politikern bis hin zu Bohemiens und reichen Lebemännern.
    Auch ich könnte es mir jetzt gemütlich machen, aus dem Fenster auf die dunklen Weiten Polens hinunterschauen und in Ruhe nachdenken.
    Vor Sebulons Auftauchen hatte alles relativ einfach ausgesehen. Der junge Vitja war einem hungrigen oder dummen Vampir zum Opfer gefallen (oder einem, der beides war). Und gestorben. Der Vampir selbst war untergetaucht, sobald er seinen Hunger gestillt hatte und ihm klar geworden war, was er da angerichtet hatte. Die Nachtwache Edinburghs brauchte nur nach den guten alten Polizeimethoden vorzugehen und würde früher oder später, wenn sie sich alle einheimischen und zugereisten Blutsauger vorgenommen und deren Alibis überprüft hatte, eine Observation einleiten, um den Mörder zu fassen. Geser hegte offenbar Schuldgefühle gegenüber Viktors Vater, der – obwohl er kein Anderer hatte werden wollen – der Nachtwache bisweilen behilflich gewesen war, weshalb der Chef die
    Aufklärung beschleunigen wollte. Gleichzeitig gab er mir damit die Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln.
    Klang das logisch?
    Absolut. Und in keiner Weise merkwürdig.
    Dann tauchte Sebulon auf.
    Und unser guter Leonid Prochorow, dieser verhinderte Lichte, stand plötzlich in völlig neuem Licht da! Stellte sich auch als verhinderter Dunkler heraus! Und da er der Tagwache ebenfalls hin und wieder half, hegte auch Sebulon den brennenden Wunsch, den Mörder von Viktor zu bestrafen.
    Konnte so etwas möglich sein?
    Anscheinend ja. Anscheinend hatte dieser Mann auf zwei Hochzeiten zugleich getanzt. Wir Anderen können nicht sowohl dem Licht als auch dem Dunkel dienen. Die Menschen haben es da leichter. Die meisten von ihnen leben sogar nach ebendiesem Prinzip.
    In

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