4 - Wächter der Ewigkeit
erwiderte ich. »Haben Sie etwas dagegen, Dunkler?«
»Ich unterstütze dieses Vorhaben durchaus«, beteuerte Sebulon. »So seltsam das auch klingen mag, aber ich stelle mich fast nie quer.«
Er trug Anzug und Krawatte, hatte den Knoten allerdings gelockert und den obersten Knopf des Hemds aufgemacht. So dass mit dem ersten Blick unmissverständlich klar war: ein Mensch, der entweder seinen Geschäften nachgeht oder im Staatsdienst steht … Der Fehler läge bereits im Wort »Mensch«.
»Was wollen Sie dann von uns?«, erkundigte ich mich.
»Ich möchte Ihnen eine gute Reise wünschen«, entgegnete Sebulon ungerührt. »Und viel Erfolg bei der Aufklärung des Mords.«
»Was geht Sie das denn an?«, fragte ich nach einer bedrückenden Pause.
»Leonid Prochorow, der Vater des Verstorbenen, ist vor zwanzig Jahren als Anderer identifiziert worden. Als starker Dunkler. Bedauerlicherweise …« Sebulon seufzte. »… wollte er sich nicht initiieren lassen. Er ist ein Mensch geblieben. Dennoch hat er stets gute Beziehungen zu uns unterhalten und uns bisweilen ausgeholfen. Wenn der Sohn eines Freundes von dir von einem kleinen Blutsauger ermordet wird, der die Kontrolle über sich verliert, verstehe ich keinen Spaß mehr. Finde den Kerl, Anton, und lass ihn auf ganz kleinem Feuer schmoren.«
Semjon hatte an meiner Unterredung mit Geser nicht teilgenommen. Aber irgendetwas wusste er über Leonid Prochorow – jedenfalls ließ die Art, wie er sich bestürzt das schlecht rasierte Kinn kratzte, darauf schließen.
»Das habe ich sowieso vor«, meinte ich vorsichtig. »Machen Sie sich da mal keine Gedanken, Großer Dunkler.«
»Aber vielleicht brauchst du unvermutet Hilfe?«, fuhr Sebulon unbeirrt fort. »Man kann ja nie wissen, mit wem man es zu tun bekommt. Nimm das …«
In Sebulons Hand tauchte ein Amulett auf, eine aus Knochen geschnitzte Figur, die einen zähnefletschenden Wolf darstellte. Der Figur entströmte deutlich spürbar Kraft.
»Dies sei dir Verbindung, Hilfe, Rat. Alles zusammen.« Sebulon beugte sich auf dem Rücksitz vor, um mir mit heißem
Atem etwas ins linke Ohr zu flüstern. »Nimm es … Wächter. Es wird dir gute Dienste erweisen.«
»Glaub ich nicht.«
»Nimm es trotzdem.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Na gut, in Ordnung«, seufzte Sebulon. »Wenn es ohne diese dummen theatralischen Effekte nicht geht … Ich, Sebulon, schwöre beim Dunkel, dass ich mein Amulett Anton Gorodezki, einem Lichten Magier, aushändige, ohne dabei Hintergedanken zu hegen, ohne jedwede Absicht, seiner Gesundheit, seinem Geist oder seinem Bewusstsein Schaden zuzufügen, und ohne eine Gegenleistung einzufordern. Wenn Anton Gorodezki meine Hilfe annimmt, geht er damit weder für sich noch für die Kraft des Lichts oder die Nachtwache verbindliche Verpflichtungen ein. Als Zeichen meiner Dankbarkeit für die akzeptierte Hilfe gestatte ich der Nachtwache Moskaus drei lichte magische Handlungen bis zum dritten Grad einschließlich vorzunehmen, ohne heute oder in Zukunft im Gegenzug ein entsprechendes Zeichen der Dankbarkeit zu erwarten. Möge das Dunkel mein Zeuge sein!«
Neben der Wolfsfigur begann eine dunkle Kugel zu kreisen, ein schwarzes Loch im Miniaturformat, eine direkte Untermauerung des Schwurs durch die Urkraft.
»Ich würde trotzdem nicht …«, setzte Semjon warnend an.
Genau in diesem Moment klingelte in meiner Tasche jedoch das Handy, das sich von selbst auf den Freisprechmodus schaltete. All diese Funktionen benutzte ich niemals: Freisprechanlage, Organizer, Spiele, Fotoapparat, Taschenrechner und Radio. Das Einzige, was ich benutzte, war der ins Handy eingebaute Player. Gut, auch diese Konferenzschaltung mochte durchaus ihre Vorteile haben …
»Nimm es«, sagte Geser. »In diesem Punkt lügt er nicht. Und in welchem Punkt er lügt, kriegen wir schon noch raus.«
Dann brach die Verbindung ab.
Sebulon lachte auf und hielt mir nach wie vor die Figur hin. Wortlos klaubte ich sie vom Handteller des Dunklen Magiers und steckte sie in meine Tasche. Einen Schwur musste ich nicht leisten.
»Also, viel Erfolg«, meinte Sebulon. »Ach ja! Wenn es dir keine Mühe macht, dann bring mir doch aus Edinburgh eine Magnetfigur für den Kühlschrank mit.«
»Wozu?«, fragte ich.
»Ich sammle die Dinger«, erklärte Sebulon lächelnd.
Dann verschwand er. Drang in irgendwelche tiefen Schichten des Zwielichts ein. Natürlich versuchten wir nicht, ihn zu verfolgen.
»Dass ihm das nicht peinlich ist«, bemerkte
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