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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Vorstellung eingeladen.«
    Und da beging ich eine Dummheit. »Ich fliege nicht nach London, Jegor«, erklärte ich. »Ich muss auch nach Edinburgh.«
    Man sieht nur selten, wie die Freude im Nu aus einem Gesicht kriecht, um Unmut und sogar Verachtung Platz zu machen.
    »Alles klar. Wozu braucht ihr mich diesmal?«
    »Jegor, du …« Dann stockte ich.
    Brachte ich den Mut auf, ihm zu sagen, er habe mit all dem nichts zu tun?
    Nein.
    Denn das glaubte ich selbst nicht.
    »Alles klar«, wiederholte Jegor. Dann drehte er sich um und ging zu seinem Sitz in der Mitte des Flugzeugs zurück. Mir blieb nichts weiter übrig, als ins Klo zu gehen und die Tür hinter mir zu schließen.
    Es roch nach Tabak. Trotz aller Verbote verdrückten sich die Raucher immer wieder auf eine Zigarette in die Toilette. Ich blickte in den Spiegel – das zerknautschte Gesicht eines Menschen, der zu wenig geschlafen hatte. Selbst wenn ich viel mehr und viel weniger als ein Mensch war … Ich wollte mit der Stirn gegen den Spiegel schlagen, was ich dann auch tat. »Idiot, Idiot, Idiot …«, flüsterte ich lautlos.
    Was mich entspannte. Ich glaubte wieder, dass ich nur auf eine ganze normale Dienstreise geschickt worden war.
    Aber konnte das wirklich sein, wenn es Geser höchstpersönlich war, der mich losgeschickt hatte?
    Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht, blieb noch einen Moment stehen und starrte finster auf mein Spiegelbild. Zu guter Letzt pinkelte ich, drückte mit dem Fuß auf ein Pedal, worauf ein bläuliches Desinfektionsmittel in das Stahlbecken schoss, wusch mir die Hände und spritzte mir noch einmal Wasser ins Gesicht.
    Wer steckte hinter dieser Operation? Geser oder Sebulon?
    Wer hatte mich auf den gleichen Weg geschickt wie Jegor, den Jungen, der kein Anderer hatte werden wollen? Und weshalb?
    Wessen Spiel war das? Wessen Regel? Und vor allem: Wie viele Figuren standen eigentlich auf dem Brett?
    Ich holte Sebulons Geschenk aus meiner Tasche. Ein mattgelber Knochen. Aus irgendeinem Grund wusste ich, dass der Künstler eigentlich einen schwarzen Wolf hatte darstellen wollen. Einen ausgewachsenen schwarzen Wolf, der den Kopf in den Nacken geworfen hatte, um ein sehnsüchtiges durchdringendes Geheul anzustimmen.
    Verbindung, Hilfe, Rat …
    Die Statuette schien stinknormal zu sein. In den Kiosken mit Andenken lagen solche Dinger zu Hunderten und Tausenden aus, wenn auch aus Plastik, nicht aus Knochen. Doch ich spürte die Magie, die die Figur durchströmte. Ich brauchte bloß fest die Hand um sie zu schließen … und mir etwas zu wünschen. Mehr nicht.
    Brauchte ich Hilfe von den Dunklen?
    Ich widerstand der Versuchung, die Figur im Klo runterzuspülen, und steckte sie zurück in meine Tasche.
    Schließlich gab es keine Zuschauer, die diese pathetische Geste zu schätzen gewusst hätten.
    Ich kramte in meiner Tasche nach einem Päckchen Zigaretten. So viel rauche ich zwar eigentlich nicht, dass mir ein vierstündiger Flug etwas ausmachen würde, aber jetzt wollte ich mich einfach einem menschlichen Vergnügen überlassen. Das kennen alle Anderen – je reifer wir werden, desto mehr neigen wir zu dummen kleinen Angewohnheiten. Als müssten wir uns an die kleinsten Erscheinungsformen unserer Natur klammern – und als gebe es dafür keinen zuverlässigeren Anker als unsere Laster.
    Als ich bemerkte, dass ich das Feuerzeug in der Tasche meines Jacketts gelassen hatte, fachte ich jedoch ohne zu zögern durch eine hochthermische Entladung zwischen Daumen und Zeigefinger einen Bogen an, um mir die Zigarette an einem magischen Feuer anzustecken.
    Frischgebackene Andere versuchen alles mit Magie zu bewerkstelligen.
    Sie rasieren sich mit der Kristallklinge, bis sie sich die halbe Wange oder das Ohrläppchen absäbeln. Sie kochen ihr Essen mit Fireballs, auch wenn sie dabei die Suppe an den Wänden verspritzen und die Hacksteaks von der Decke kratzen müssen. Sie überprüfen die Wahrscheinlichkeitslinien, bevor sie sich in einen gemütlichen Oberleitungsbus setzen.
    Ihnen gefällt es einfach, Magie anzuwenden. Wenn es ihnen zu Gebote stünde, würden sie sich mit ihrer Hilfe nach dem Scheißen auch noch den Hintern abwischen.
    Dann werden die Anderen erwachsener, klüger und geiziger. Allmählich begreifen sie, dass Energie immer Energie bleibt und es angemessener ist, sich aus dem Sessel zu erheben und zum Schalter zu gehen, als einen Strom reiner Kraft zum Knopf zu schicken. Dass das Beefsteak auf einem elektrischen Herd viel besser

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