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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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früher gewohnt hat. Niemals und für nichts in der Welt – solange man nicht an Altersschwachsinn leidet und deshalb beim Anblick des Sandkastens im Hof des Elternhauses lächelt und lossabbert.
    Ich betrachtete meinen alten Aufgang und überlegte mir, dass gar nicht so viele Jahre vergangen waren, selbst nach den Maßstäben der Menschen nicht. Vor acht Jahren war ich aus dem Eingang dieses langweiligen, standardisierten fünfzehnstöckigen Hauses getreten, um mich in einer weiteren Nacht auf die Jagd nach Vampiren zu begeben. Damals wusste ich nicht, dass ich Swetlana treffen würde, meine zukünftige Frau, dass wir Nadka bekommen würden und ich zum Hohen aufsteige …
    Doch schon damals war ich ein Anderer. Und wusste, dass über mir ebenfalls Andere leben. Eine Vampirfamilie. Gesetzestreue, gute Vampire, mit denen ich sogar relativ lange befreundet bleiben konnte.
    So lange, bis ich meinen ersten Vampir tötete.
    Was sollte man da machen? Irgendwann geschieht alles zum ersten Mal.
    »Gehen wir?«, fragte Olga.
    Erneut schlug die Erinnerung schmerzhaft über mir zusammen. Der kleine Jegor, der damals noch jünger war als der Praktikant Andrej, dieser geschickte Aurenkopierer, wäre beinahe Vampiren zum Opfer gefallen. Olga und ich arbeiteten damals zum ersten Mal als Team, nahmen seine Spur auf … Auf diese Weise war es Geser gelungen, Olgas schreckliche Strafe, die Verbannung in einen Eulenkörper, aufzuheben …
    »Ein Dejà-vu«, erklärte ich.
    »Wieso das?«, fragte Olga zerstreut zurück. Bei ihrem langen Leben musste sich ihr dieses Abenteuer durchaus nicht unbedingt eingeprägt haben … »Ach ja! Ist dir eingefallen, wie wir nach Jegor gesucht haben? Ich habe übrigens vor Kurzem erfahren, dass der Junge im Zirkus arbeitet. Kannst du dir das vorstellen? Er ist Illusionist geworden!«
    »Gehen wir«, sagte ich.
    Olga war schon eine tolle Frau. Sie fürchtete nicht die Schatten ihrer Vergangenheit. Im Gegenteil: Falls sie wegen Jegor Schuldgefühle empfinden sollte, würde sie sein weiteres Schicksal im Auge behalten.
    Wir nahmen den Fahrstuhl. Ich drückte den Knopf für den neunten Stock. Schweigend fuhren wir hinauf. Olga wappnete sich, sammelte Kraft. Ich inspizierte meine Finger. Der Aufzug hatte sich in diesen acht Jahren verändert, man hatte einen gegen Vandalismus geschützten eingebaut, mit Wänden und Knöpfen aus Metall. Die minderjährigen Rotzgören schafften es jetzt nicht mehr, die Plastikknöpfe mit dem Feuerzeug abzusengen. Stattdessen klebte Kaugummi an den Tasten.
    Ich wischte mir die Finger ab, polkte die klebrige Schweinerei aus Polyvinylazetat, Aromen und Spucke ab.
    Nicht immer gelingt es mir, die Menschen zu lieben.
    Der Fahrstuhl hielt an.
    »Der neunte Stock«, sagte ich verlegen. »Die Sauschkins … Sauschkin wohnt im zehnten.«
    »Gut«, lobte Olga mich. »Den Rest gehen wir zu Fuß.«
    Ich schielte zu meiner ehemaligen Wohnungstür hinüber. Immer noch die alte Tür … Offenbar hatte man nicht einmal die Schlösser ausgewechselt, nur die Schlossplatte funkelte greller, neu. Wir stiegen den Treppenabsatz hinauf, ich drehte mich noch einmal nach meiner Tür um – die sich gerade öffnete, als habe jemand gewartet, bis wir uns entfernten. Eine Frau unbestimmten Alters tauchte auf, mit zerzaustem Haar, aufgeschwemmtem Gesicht und in einem schmutzigen Morgenmantel. Sie taxierte uns mit einem boshaften Blick.
    »Habt ihr wieder den Fahrstuhl vollgepisst?«, kreischte sie.
    Die Anklage kam so überraschend, dass ich unweigerlich losprustete. Olga presste die Lippen aufeinander und ging einen Schritt zurück. Die Frau schloss die Tür rasch so weit, dass sie sie jederzeit zuknallen konnte. Olga betrachtete die Frau eine Weile. »Nein. Das kam Ihnen nur so vor«, sagte sie dann ganz leise.
    »Ja, das kam mir nur so vor«, wiederholte die Frau gedehnt.
    »Der Mieter über Ihnen setzt Sie aber unter Wasser«, fuhr Olga fort. »Gehen Sie jetzt hoch und sagen Sie ihm, was Sie von ihm halten.«
    Die Frau strahlte und sprang so, wie sie war, in ihrem grauenvollen Morgenmantel und den ausgetretenen Latschen an den nackten Füßen, zur Tür hinaus. Eifrig flitzte sie an uns vorbei.
    »Was soll das?«, fragte ich.
    »Sie hat es selbst so gewollt«, antwortete Olga angeekelt. »Soll sie ruhig der Sache des Lichts dienen. Wenigstens einmal in ihrem Leben.«
    Falls sich in Sauschkins Wohnung tatsächlich ein Hoher Vampir versteckte, so schoss es mir durch den Kopf, dann könnte das wirklich

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