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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Schloss treten konnte. Die Tür gab nach.
    »Ging ja problemlos«, lachte Olga. »Diesen Tritt wollte ich schon lange mal in der Praxis ausprobieren.«
    Ich fragte nicht, wer ihr beigebracht hatte, Türen einzutreten. Obwohl Olga sich sicher war, hegte ich so meine Zweifel daran, dass die Wohnung wirklich leer war. Wir betraten den Flur (auch hier überall blaues Moos). Ohne ein Wort zu sagen, traten wir aus dem Zwielicht.
    Wie lange ich nicht hier gewesen war …
    Und wie lange überhaupt niemand hier gewesen war. Die Luft in der Wohnung war so schwer und abgestanden, wie es nur bei verlassenen und fest verschlossenen Räumen vorkommt. Selbst wenn hier niemand lebt, müsste doch durch das Lüftungsgitter und die Ritzen genug frische Luft kommen. Doch nein. Alle Luft schien zu sterben, ungenießbar wie der Tee vom Vortag zu werden.
    »Es riecht nicht«, stellte Olga erleichtert fest.
    Ich verstand sie. Natürlich roch es: muffig, feucht, staubig. Aber es hing nicht der Gestank in der Luft, den wir erwartet, den wahrzunehmen wir befürchtet hatten. Den süßlich-modrigen Geruch von Körpern, denen ein Vampir alles Blut ausgesaugt hatte. So wie damals in Mytischtschi, als wir Alexej Saposhnikow in seiner Wohnung festnahmen, einen kleinen, geisteskranken und gerade deshalb der Aufmerksamkeit der Wachen entgangenen Vampir, der zum Serienmörder geworden war …
    »Seit mindestens einem Monat wohnt hier niemand mehr«, vermutete ich. Dann sah ich mir die Garderobe an: eine Winterjacke, eine Fellmütze … Auf dem Boden standen feste, pelzbesetzte, verdreckte Stiefel. Nein, nicht einen Monat, noch länger. Etwa seit dem Winter dürfte die Wohnung verlassen sein. Die Schutzzauber, die ich mir noch im Auto angehangen hatte, nahm ich zwar nicht ab, aber immerhin entspannte ich mich. »Also denn … sehen wir uns mal um, wie er gelebt … existiert hat.«
    Mit der Küche fingen wir an. Die Fenster waren hier – genau wie im Rest der Wohnung – mit schweren Gardinen verhangen. Die vom Staub ergrauten Stores hatten der Wohnung wohl einst einen gemütlichen Anstrich verleihen sollen. Seit ungefähr zwei Jahren waren sie jedoch nicht mehr gewaschen worden. Seit dem Zeitpunkt, als Polina gestorben war.
    Als Olga hinter mir das Licht einschaltete, erschauderte ich. »Wir wollen doch nicht im Dunkeln bleiben wie Scully und Mulder …«, bemerkte sie. »Überprüf den Kühlschrank.«
    Den ziemlich laut brummenden Kühlschrank aus Korea hatte ich schon geöffnet. Küchengeräte vertragen die Vernachlässigung durch den Menschen noch am besten. Ein Computer, der ein halbes Jahr ungebraucht herumsteht, stürzt häufig ab. Keine Ahnung, womit das zusammenhängt. Jedenfalls nicht mit Magie, denn in Rechnern steckt keine Magie.
    Im Kühlschrank entdeckte ich – entgegen meinen Befürchtungen – nichts Grauenvolles. Ein verdächtiges Dreiliterglas mit einer dunklen Flüssigkeit, auf der sich weißer Schimmel gebildet hatte, enthielt lediglich vergammelten Tomatensaft, der jetzt vergoren war. Natürlich konnte man es nicht billigen, wenn Tomaten verkamen – doch mit diesem Verbrechen sollte sich meinetwegen eine Tomatenwache im Dienste von Greenpeace befassen. In den Fächern der Kühlschranktür standen dickwandige Flaschen, die zweihundert und fünfhundert Gramm fassten. Die Kennzeichnung der Nachtwache, die sich auf jeder Flasche fand, leuchtete schwach im Zwielicht: Lizenziertes Spenderblut.
    »Er hat noch nicht mal seine Ration ausgetrunken«, bemerkte ich.
    Außerdem entdeckte ich im Kühlschrank noch Würstchen, Eier und Wurst. Im Eisfach lagen ein Stück Fleisch (Rind) und Pelmeni (größtenteils aus Soja). Das typische Sortiment eines alleinstehenden Mannes. Nur Alkohol fehlte, was mich jedoch nicht verwunderte. Alle Vampire sind gezwungenermaßen Abstinenzler, denn Alkohol zerstört in null komma nichts ihren seltsamen Stoffwechsel und stellt ein starkes Gift für sie dar.
    Nach der Küche inspizierte ich die Toilette. Das Wasser im Klo war fast eingetrocknet, aus dem Abfluss stank es. Nachdem ich gespült hatte, ging ich wieder hinaus.
    »Wofür du so Zeit findest«, verkündete Olga. Verständnislos sah ich sie an, bis mir aufging, dass sie scherzte. Auch die Große Zauberin musste mit dem Schlimmsten gerechnet haben und entspannte sich jetzt. Lächelte.
    »Dafür ist immer Zeit«, erwiderte ich. »Es hat gestunken, deshalb habe ich gespült.«
    »War mir doch klar.«
    Als ich die Badezimmertür öffnete, bemerkte ich, dass

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