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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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auf Vampire.
    »Wie ausgeprägt ist die erste Lateralspitze?«
    Ich setzte zwei Pluszeichen. Selbst drei wären gerechtfertigt gewesen, die Spitze ließ sich nicht eindeutig klassifizieren.
    Eine Frage folgte der nächsten. Nachdem ich zwei Dutzend beantwortet hatte, gestattete ich mir einen Blick in die rechte obere Ecke der Tabelle.
    Dort blinkte die Ziffer 3.
    Ein Wunder! Bei einer so kleinen Zahl musste ich entweder den Vampir selbst oder ein Mitglied seines Clans gefunden haben, jemanden, den er initiiert hatte. In diesem Fall gäbe es zwar Unterschiede in der Aura, diese wären jedoch so minimal, dass man fünfzig Fragen für eine eindeutige Identifikation brauchte.
    Drei Kandidaten stellten mich ohnehin völlig zufrieden.
    Ich klickte die Drei an.
    Und kippte fast vom Stuhl. Der lächelnde Kostja Sauschkin blickte mich an. Quer über die Datei prangte in fetter roter Schrift »ENTKÖRPERT«.
    Einige Sekunden lang starrte ich mit leerem Blick auf den Bildschirm. Erinnerte mich an den Inhalt des Aluminiumcontainers, den mir Geser letzte Woche nach meiner Rückkehr aus Samarkand gezeigt hatte …
    Dann stöhnte ich auf.
    Denn ich begriff es.
    Endlich begriff ich es.
    Ich klickte die nächste Datei an – und erschauderte noch einmal, als ich Polina sah, Kostjas Mutter. Hier frappierte mich nicht das Foto, da ich ja wusste, wen ich sehen würde. Aber auch hier prangte ein »ENTKÖR-PERT«.
    Von den ersten Zeilen »Als Mensch geboren. Keine Anlagen zur Anderen. Vom Ehemann gemäß Paragraf 7 des Abkommens zum Recht der Familie eines Anderen auf Selbstbestimmung initiiert …« scrollte ich die Datei bis zum Ende durch. Ab und an nahm ich aus den Augenwinkeln heraus eine Zeile wie »Hat von der Lotterie keinen Gebrauch gemacht«, »Ausgezeichnet mit einer Monatsration frischen Spenderbluts der Blutgruppe B, rhesuspositiv« wahr. Bei der Nahrung zeigte sie sich konservativ, auf Menschen machte sie keine Jagd, stets wählte sie denselben, nicht sehr seltenen Typ frischen Bluts. Nicht so wie manche Vampire, die zwar auf die Jagd verzichten, dann aber anfangen, für sich das Blut einer Jungfrau – »und zwar nur Blutgruppe o oder A, denn bei B und AB bekomme ich Verdauungsstörungen« – oder eines Kindes mit der Blutgruppe o, rhesusnegativ, zu verlangen.
    Die letzten Zeilen erklärten mir alles.
    »Sie hat ihrer Existenz freiwillig ein Ende gesetzt und hat sich am 12.09.2003 entkörpert, kurz nach dem Tod ihres Sohnes, des Hohen Vampirs Konstantin Gennadjewitsch Sauschkin (Fall Nr. 9752150). Am 14.10.2003 wurde sie auf persönliche Bitte nach christlichem Ritual bestattet, die Totenmesse hielt der Lichte Vater Aristarch ab.«
    Vater Aristarch kannte ich. Er repräsentierte den seltenen Fall, bei dem ein orthodoxer Priester das Wesen eines Anderen mit seinem Glauben zu vereinbaren vermochte und sogar noch gewisse missionarische Aufgaben unter den Dunklen wahrnahm. Vor einem Monat hatte ich mit ihm gesprochen.
    Warum hatte ich nichts von dem Selbstmord – und wenn man die Worthülse abschälte, blieb genau dieser Kern übrig – Polina Sauschkinas gewusst?
    Ich hatte es nicht wissen wollen – deshalb wusste ich nichts davon. So einfach war das.
    Ein dritter Mausklick, die dritte Datei.
    Eben.
    »Sauschkin, Gennadi Iwanowitsch …«
    Aufstöhnend fasste ich mir mit beiden Händen an den Kopf.
    Ich Idiot! Ich ausgemachter Idiot!
    Es spielte überhaupt keine Rolle, dass Sauschkin senior laut Dossier lediglich ein Vampir vierten Grades war, dass er »nicht jagte«, nicht »auffällig« oder »aktenkundig« geworden war.
    Auch Edgar war zuvor kein Großer gewesen. Und dann, hat man Töne, schaffte er es selbst bei Einsatz von vier Amuletten, nur einen Teil der Wahrheit preiszugeben.
    Natürlich hatte ich diese Wahrheit so interpretiert, wie es mir gefiel. Aufgrund meiner Komplexe, Ängste und Gewissensbisse.
    Andrej, den wir nach der Begegnung mit Gena Sauschkin aus dem Wasser gezogen hatten, klagte sich ohne jeden Grund an. Er trug weder am Tod seines Lehrers noch seiner Mitschüler die Schuld.
    Wohingegen ich Schuld auf mich geladen hatte. An dem Namen Sauschkin hatte ich mich festgebissen, der für mich zu einer Art Barriere geworden war. Nicht zu einem einzigen Schritt seitwärts hatte ich mich durchringen wollen.
    Im ersten Moment wollte ich mir das Blatt ausdrucken. Dann ging mir auf, dass ich es nicht aushalten würde, dreißig Sekunden zu warten, bis der Drucker sich hochgefahren hatte und einsatzbereit war.
    Ich

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