4 - Wächter der Ewigkeit
kleinen Kindes sind die fünfzehn Minuten von Viertel vor neun bis neun Uhr abends. Eine Viertelstunde Glück, in denen sich das Kind fröhlich die Reklamespots für Joghurt und Schokolade ansieht (selbst wenn das nicht gut ist) und dann mit großen Augen an Chrjuscha, Karkuscha, Stepaschka und weiteren Figuren aus der Sendung Gute Nacht, Kinder hängt.
Wenn diejenigen, die die Sendezeit für die Kindersendungen festsetzen, den Abend selbst mit ihren Kindern verbrächten und sie nicht in die Obhut professioneller Kindermädchen abschöben, dann würde Gute Nacht, Kinder eine halbe Stunde dauern. Oder eine Stunde.
Nebenbei bemerkt, würde das auch die Geburtenzahl in die Höhe schnellen lassen. Man kann es drehen und wenden, wie man will – fünfzehn Minuten sind zu kurz. Aber wenigstens kann man in aller Ruhe Tee trinken.
Ich hatte Swetlana keine Einzelheiten von dem erzählt, was wir in Sauschkins Wohnung vorgefunden hatten. Dennoch machte sie sich ein sehr genaues Bild von allem, nur anhand der kurzen Schilderung. Auf den Magen schlug ihr das jedoch nicht: Sweta ließ sich nicht vom Teetrinken abhalten. Wir in der Wache sahen ja mitunter noch Schlimmeres. Finster blickte Sweta allerdings doch drein.
»Was den Lichten angeht, da haben wir eine Version«, berichtete ich in dem Versuch, einen Themenwechsel herbeizuführen. »Geser hat alle Hohen überprüft, von denen ist niemand verdächtig. Also … Edgar verfügte über eine Unmenge von bestimmten Zaubern. Das war das Werk einer Hexe. Ich habe mir überlegt …«
»Dass Arina die Farbe geändert hat?« Swetlana sah mich an. »Das könnte sein.«
»Du hast sie dir ja damals ganz schön vorgeknöpft«, fuhr ich fort. »Du musst ihr Bewusstsein gespürt haben. Was meinst du, könnte sie eine Lichte werden?«
»Für einen Durchschnittsanderen wäre das unmöglich«, entgegnete Swetlana. »Oder fast unmöglich … Aber für einen Hohen … für Arina …«
Sie verstummte. Versank in ihre Erinnerung. Wartend schaute ich auf den Fernseher, wo ein trauriges Mädchen an einer Schnur einen Handschuh hinter sich herzog und so tat, als sei es ein Welpe. Schrecklich! Alle unsere Fäustlinge und Fingerhandschuhe würden verschwinden. Natürlich würde Nadja sie nicht in einen Hund verwandeln. Jede Magie hat ihre Grenzen. Aber Spielhunde würden sich in unserer Wohnung zuhauf tummeln.
Wir sollten ihr einen richtigen Welpen kaufen, sonst würden wir unseres Lebens nicht mehr froh.
»Das könnte sein«, bestätigte Swetlana. »Sie könnte eine Lichte geworden sein. In ihrer Seele sah es merkwürdig aus, dort ist alles miteinander vermengt gewesen … Besonders niederträchtig war sie nicht. Aber Arina hat mir geschworen, ein ganzes Jahrhundert lang weder einen Menschen noch einen Anderen umzubringen. Diesen Schwur kann sie nicht gebrochen haben.«
»Sie hat ja auch nicht gemordet«, wandte ich ein. »Aber Edgar mit Amuletten auszustatten, seine Kraft zu erhöhen … das stand damals zwischen euch nicht zur Debatte. Arina ist klug genug, um dein Verbot genau auf diese Weise zu umgehen.«
»Wir fangen die Sache falsch an, Anton.« Swetlana stellte ihre Tasse ab. »Ob Arina eine Lichte geworden ist – oder sonst eine Zauberin –, das spielt doch keine Rolle. Viel wichtiger ist: Was wollen sie erreichen? Was vereint sie? Wollen alle drei die Welt vernichten? Blödsinn! Nur in idiotischen Filmen treten Schufte auf, die die Welt um der Zerstörung willen zerstören wollen. Macht? Das wäre genauso dumm! Sie haben auch so genug Macht. Und kein Artefakt wird ihnen absolute Macht verleihen, selbst dann nicht, wenn es vor tausendfünfhundert Jahren von einem wahnsinnigen Magier entwickelt worden ist. Solange wir nicht wissen, was sie wollen, was sie am Boden des Zwielichts zu finden hoffen, spielt es überhaupt keine Rolle, ob Arina oder sonst wer eine Lichte geworden ist oder sich so getarnt hat, dass Thomas sie nicht erkennen konnte.«
»Hast du eine Idee, Sweta?« Ich tat so, als hätte ich ihr »wir« überhört. Man braucht sich da nichts vorzumachen: Es heißt zu Recht, dass man nie vollends aus der Wache ausscheidet.
»Der Kranz der Schöpfung beseitigt die Barrieren zwischen den Schichten des Zwielichts …« Swetlana verstummte.
»Mama, der Zeichentrickfilm ist aus!«, schrie Nadja.
»Versuch mal, das mit dem Weißen Höhenrauch in Verbindung zu bringen. Die beiden Zauber haben ja dieselbe Wurzel …« Swetlana erhob sich und ging zu Nadja hinüber. »Wir gehen
Weitere Kostenlose Bücher