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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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zufälligen Nebeneffekt. Vielleicht hatte sich der Schöpfer des Devas aber auch einen Spaß erlaubt.
    »Geh und bring das da um!«, schrie Edgar, indem er auf die Schlange zeigte. Brüllend stürzte Kong mit riesigen Sprüngen auf die Schlange zu. Die konnte sein Anblick jedoch nicht schrecken, vielmehr schien sie angesichts des würdigen Gegners aufzuleben, sodass sie ihm hurtig entgegenkroch. Der Boden bebte, das donnernde Heulen des Affen und das erstickende Zischen der Schlange verschmolzen zu einem einzigen Dröhnen!
    Höchste Zeit für mich! Solange sie der bevorstehende Kampf noch fesselte.
    Ich drehte mich um – und erstarrte. Hinter mir stand ein kleiner bärtiger Mann in weißem Gewand. Er wirkte völlig real, jedes Haar in seinem silbergrauen Rauschebart hätte man zählen, jede Falte in dem müden Gesicht erkennen können. Gleichzeitig schien er jedoch nicht mehr als ein diffuser fahler Schatten, durch den Gras und Himmel schimmerten.
    Der Alte wies mit der Hand langsam auf eine Stelle am Boden. Wiederholte die Geste.
    Wollte er, dass ich in die sechste Schicht eindrang?
    Ich zeigte mit der Hand nach unten. Der Alte nickte, auf seinem Gesicht spiegelte sich Erleichterung wider.
    Dann löste er sich in Luft auf.
    Ich durfte keine Sekunde zögern. Jeden Moment konnte sich einer von der Ewigen Wache umdrehen und bemerken, dass ich fliehen wollte.
    Die Kraft ist in mir! Ich werde in die sechste Schicht eintauchen können.
    Mein Schatten ist in mir! Ich sehe ihn immer.
    Ich muss es tun! Also werde ich es tun.
    Eisiger Wind schlug mir entgegen.
    Gerade als ich durch die Barriere treten wollte, hörte ich Arinas Stimme. »Es ist uns wirklich jemand ge…«
    Ihre Stimme verstummte, blieb hinter jener Grenze hängen, die die sechste Schicht umgibt. Hinter jener Grenze, die die Welt der von uns gegangenen Anderen schützt.
    »Danke, dass du gekommen bist«, sagte der Alte. Und lächelte.
    Bevor ich antwortete, sah ich mich um.
    Es war Tag. Am blauen Himmel prangte die Sonne, zogen weiße Schäfchenwolken dahin. In der Lichtung spross grünes Gras. In den Zweigen zwitscherten Vögel.
    Vor mir stand der silbergraue uralte Andere. Seine Kleidung war gar nicht weiß, sondern aus einem groben grauen Sackleinen gewebt das nur auf den ersten Blick schneeweiß gewirkt hatte. Außerdem trug er keine Schuhe. Worin freilich weder die Demut eines Hirten noch Naturverbundenheit zum Ausdruck kamen. Er war einfach ein Mann, der barfuß ging, der es für Zeitverschwendung hielt, Schuhwerk anzufertigen.
    »Ich grüße dich, Großer«, sagte ich und neigte den Kopf. »Es ist mir eine Ehre … dem Großen Merlin zu begegnen.«
    Neugierig blickte mir der Alte ins Gesicht. Als sähe er es nicht zum ersten Mal, erhalte jedoch erst jetzt die Möglichkeit, es eingehend zu studieren.
    »Eine Ehre? Bist du denn mit meinem Leben vertraut, Lichter?«
    »Ein wenig.« Ich zuckte die Achseln. »Über das Schiff mit den Kindern weiß ich Bescheid.«
    »Und trotzdem sprichst du von Ehre?«
    »Meiner Ansicht nach hast du für vieles bereits bezahlt. Außerdem bist du für Millionen Menschen ein weiser Wahrer des Guten und der Gerechtigkeit. Das sollte man nicht außer Acht lassen.«
    »Insgesamt waren es nur neun …«, brummte Merlin. »Legenden … sie übertreiben immer. Sowohl was das Schlechte als auch was das Gute angeht …«
    »Doch diese neun hat es gegeben.«
    »Ja«, sagte Merlin. »Warum bist du der Ansicht, ich hätte dafür bezahlt? Gefällt dir das Paradies nicht, das die Anderen nach ihrem Tod erwartet?«
    Statt zu antworten, bückte ich mich und riss einen Grashalm aus. Steckte ihn in den Mund und kaute darauf herum. Der Saft war bitter, aber nicht bitter genug. Ich kniff die Augen zusammen und blickte in die Sonne. Sie prangte am Himmel, doch ihr Licht blendete nicht. Ich klatschte in die Hände, worauf ein Geräusch entstand, das ganz leicht erstickt klang. Ich atmete tief ein. Die Luft war frisch, und trotzdem fehlte ihr etwas. Ein leichter Muff blieb zurück – wie in der verlassenen Wohnung Sauschkins.
    »Hier gibt es nichts wirklich Echtes«, erklärte ich. »Hier fehlt Leben.«
    »Bravo.« Merlin nickte. »Viele bemerken das erst nach einiger Zeit. Viele leben jahrelang hier, jahrhundertelang … bevor sie begreifen, dass sie hereingelegt worden sind.«
    »Gewöhnt man sich nicht daran?«, wollte ich wissen.
    Merlin lächelte. »Nein. Daran gewöhnst du dich nicht.«
    »Erinnerst du dich noch an die Geschichte mit dem

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