4 - Wächter der Ewigkeit
Rahmen hatte ich bereits unten bemerkt, einen weiteren im Treppenhaus. Ob die Dinger überall im Hotel rumhingen? Als ich näher heranging, las ich voller Verwunderung:
By oppression’s woes and pains,
By your sons in servile chains,
We will drain our dearest veins
But they shall be free!
»Du Hundesohn aber auch!«, sagte ich. Fast begeistert. Selbst Menschen, die in diesem Hotel unterkamen, würden in diesen Versen von Robert Bums nichts Schlimmes sehen!
Ohne Frage dürfte Bruce ein ähnlicher Sinn für Humor auszeichnen wie den Vampir, der sein Opfer im »Vampirschloss« leer getrunken hatte. Ein hervorragender Kandidat für die Rolle des Mörders.
Wogegen leider eins sprach: Bei dem Schlag, den Bruce hatte einstecken müssen, wäre er einfach nicht mehr in der Lage gewesen zu lügen.
Drei
Touristen sind einfach die schrecklichste Gattung der Menschen. Manchmal hege ich den bösen Verdacht, jedes Volk versuche, seine unangenehmsten Vertreter ins Ausland zu schicken: die lautesten, impertinentesten, dümmsten. Vermutlich lässt sich jedoch alles viel einfacher erklären. Vermutlich gibt es im Kopf eines jeden Menschen einen geheimen Knopf, mit dem man von Arbeit auf Urlaub um- und gleichzeitig achtzig Prozent des Hirns ausschaltet.
Die verbleibenden zwanzig Prozent reichen im Urlaub ja mehr als aus.
Ich mischte mich in die Menge, die langsam zur Burg auf dem Hügel trottete. Dabei wollte ich keinesfalls die karge Behausung der stolzen schottischen Könige studieren. Sondern lediglich die Atmosphäre der Stadt in mich aufnehmen.
Eine Atmosphäre, die mir gefiel. Wie in jedem touristischen Ort war die Fröhlichkeit teilweise gespielt, erhitzt, durch Alkohol hochgepeitscht. Trotzdem genossen die Menschen um mich herum ihr Leben, lächelten einander an und vergaßen für eine Weile ihre Sorgen.
Autos fuhren selten vorbei – und wenn, meist Taxis. Die meisten Menschen gingen zu Fuß. Die Ströme vom und zum Edinburgh Castle vermischten sich, bildeten träge Strudel um die Straßenkünstler herum, plätscherten in schmalen Rinnsalen in die Pubs und sickerten durch die Türen der Geschäfte. Ein endloser menschlicher Fluss.
Ein herrlicher Ort für einen Lichten. Wenn auch ermüdend.
Ich bog in eine Gasse ein und schlenderte gemächlich hinunter zu einer Senke, die die Alt- von der Neustadt trennte. Auch hier gab es Pubs und Souvenirläden. Aber weniger Touristen. Das Pulsieren des ungezügelten Karnevals war zum Erliegen gekommen. Mit Hilfe einer Karte – das war leichter, als Magie anzuwenden – steuerte ich eine Brücke an, die sich über diese gigantische Senke spannte, die früher einmal den Loch Nor gebildet hatte. Inzwischen hatte die Stelle die letzte Phase der Evolution durchlaufen und sich in einen Park verwandelt, einen Ort, an dem Einheimische und jene Touristen, die vom Lärm und vom Gewusel genug hatten, spazieren gehen konnten.
Auf der Brücke stauten sich die Touristen dann wieder. Sie enterten doppelstöckige Autobusse, bestaunten die Straßenkünstler, aßen Eis und guckten gedankenversunken zur alten Burg auf dem Hügel hinüber.
Auf einer kleinen Wiese tanzten säbelschwingend Kosaken.
Jener peinlichen Neugier folgend, mit der ein froh gelaunter Tourist im Ausland seine arbeitenden Landsleute beäugt, näherte ich mich ihnen.
Leuchtend rote Hemden. Weite Pluderhosen. Säbel aus einer Titanlegierung – die beim Fechten herrlich funkelten und mit denen sich trefflich herumfuchteln ließ. Ein erstarrtes Lächeln auf jedem Gesicht.
Vier Männer tanzten in der Hocke.
Und unterhielten sich in schönstem Russisch – wenn auch mit ukrainischem Akzent. In einer Geheimsprache, könnte man sogar sagen. Die in einer ziemlich stark zensierten Variante wie folgt geklungen hätte:
»He, du Knieficker!«, presste ein fröhlich tanzender Pseudokosak zwischen den Zähnen hervor. »Schlaf nicht ein, du Penner! Halt den Rhythmus, du Arschgeige!«
»Schnauze!«, blaffte der zweite Kostümierte nach wie vor lächelnd zurück. »Quatsch nicht blöd rum! Beweg deinen Arsch, du Krücke! Schließlich sollen die Leutchen was berappen«
»Tanka, du Flittchen!«, griff der Dritte ein. »Schieb los!«
Eine junge Frau in einem bunten Kleid fing an zu tanzen, was den Kosaken eine kurze Verschnaufpause gab. Trotzdem vermochte sie den Dreien noch angemessen und höchst gepflegt zu antworten. »Ihr Dumpfbacken, ich ersauf im Schweiß, und ihr hängt die Eier in die Sonne.«
Ich kämpfte mich
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