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4 - Wächter der Ewigkeit

4 - Wächter der Ewigkeit

Titel: 4 - Wächter der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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und stürze aus einiger Entfernung durch dieses Labyrinth von Gassen aus Gipskarton herbei. Es verstrichen noch ein paar Sekunden, dann öffnete sich eine schwarz gestrichene Tür, die aus diesem Zimmer ins nächste führte.
    Eintrat ein Vampir.
    Kein echter, natürlich. Sondern einer mit einer normalen menschlichen Aura.
    Ein Kostümierter.
    Ein schwarzer Umhang, Eckzähne aus Plastik im Mund, weiße Schminke im Gesicht. Ordentliche Schminke. Nur die rotblonden lockigen Haare passten nicht ins Bild. Vermutlich trug er während der Arbeit eine schwarze Perücke. Auch die Plastikflasche mit Mineralwasser, aus der dieser Neuankömmling gerade einen Schluck nehmen wollte, fiel aus dem Rahmen.
    Als der Mann mich sah, runzelte er die Stirn. Auf dem freundlichen Gesicht zeichnete sich zwar keine böse Miene ab, aber doch eine strenge, oberlehrerhafte. Er langte mit der Hand zum Mund und drehte sich kurz um. Als er mich wieder anblickte, trug er keine Hauer mehr.
    »Mister?«
    »Arbeiten Sie hier?«, fragte ich. Ich wollte keine Magie einsetzen und seinen Willen nicht brechen. Man kann sich immer so miteinander ins Benehmen setzen. Ganz wie es die Menschen tun.
    »Ja, aber unsere Einrichtung ist geschlossen. Vorübergehend.«
    »Wegen des Mords?«, hakte ich nach.
    Der Mann verzog das Gesicht. Nach dieser Frage dürfte von seiner Freundlichkeit mit Sicherheit nichts mehr übrig sein.
    »Ich weiß nicht, was Sie hier wollen, Mister … Das ist Privatgelände. Für Besucher geschlossen. Ich möchte Sie bitten, mit mir zum Ausgang zu kommen.«
    Er trat einen Schritt auf mich zu und streckte sogar die Hand nach mir aus, mit seinem ganzen Gebaren unmissverständlich zum Ausdruck bringend, dass er mich notfalls mit Gewalt hinauskomplimentieren würde.
    »Sind Sie dabei gewesen, als Viktor Prochorow ermordet worden ist?«, fragte ich.
    »Wer sind Sie eigentlich?« Misstrauen packte den Mann.
    »Ich bin ein Freund von ihm. Ich bin heute aus Russland angekommen.«
    Dem Jungen entglitten die Gesichtszüge. Er wich zu jener Tür zurück, durch die er gerade den Raum betreten hatte. Sobald er sie zu fassen bekam, wollte er sie aufstoßen – doch die Tür öffnete sich nicht. Zugegeben: Das ging auf mein Konto.
    Jetzt geriet der Junge in absolute Panik.
    »Mister … ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen! Wir alle bedauern den Tod von Viktor! Mister … Genosse!«
    Das letzte Wort brachte er in Russisch hervor. Aus welchem alten Kriegsfilm er es sich wohl gemerkt hatte?
    »Was haben Sie denn?« Jetzt war ich derjenige, der nichts mehr begriff. Ich ging auf ihn zu. Ob ich wirklich so viel Glück gehabt hatte? Und zufällig einem Menschen begegnet war, der etwas wusste? Der bei dem Mord dabei gewesen war? Warum sollte er sonst so in Panik geraten?
    »Bringen Sie mich nicht um, mich trifft keine Schuld!«, flehte der Junge. Seine Haut strahlte jetzt weißer als die Schminke. »Genosse! Sputnik, Wodka, Perestroika! Gorbatschow!«
    »Für das letzte Wort würde man dich in Russland sofort umbringen«, murmelte ich und kramte in meinen Taschen nach Zigaretten.
    Ein echt missglückter Ausspruch. Und meine Bewegungen machten es nicht besser. Der Junge verdrehte die Augen und stürzte zu Boden. Die Mineralwasserflasche fiel neben ihn. Aus purem Trotz verzichtete ich auch jetzt auf Magie. Ich schlug ihm leicht gegen die Wangen und gab ihm ein paar Schluck Wasser. Dann bot ich ihm voller Sorge eine Zigarette an.
    »Du hast gut lachen«, sagte der Mann düster, als wir in den Pseudofolterstühlen Platz nahmen. Im Sitz klaffte ein Loch, in dem sich ein bedrohlicher Pflock verbarg, der mit Kurbel und Hebel funktionierte. »Lach nur …«
    »Ich lache nicht«, meinte ich lakonisch.
    »Du lachst, wenn auch innerlich.« Der Junge zog gierig an der Zigarette. Dann streckte er mir die Hand entgegen. »Jean.«
    »Anton. Ich habe gedacht, du seist Schotte.«
    Nicht ohne Stolz schüttelte Jean die rotblonden Locken. »Nein … Franzose. Aus Nantes.«
    »Studierst du hier?«
    »Und verdiene mir mit diesem Job etwas dazu.«
    »Was soll bloß dieses dämliche Kostüm?«, fragte ich. »Es kommen doch sowieso keine Besucher.«
    Jean errötete so schnell, wie es nur Rotblonde und Albinos vermögen.
    »Der Chef hat mir heute den Auftrag gegeben aufzupassen, solange wir noch geschlossen haben. Ich habe gedacht … dass vielleicht die Polizei wiederauftauchen würde, um etwas zu überprüfen. Allein ist es hier aber nicht sehr gemütlich. In dem Kostüm

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