4 - Wächter der Ewigkeit
handle ich den Vertrag aus, das haben sie nun davon …«
Wir setzten uns in einem nahe gelegenen Cafe an einen im Freien stehenden Tisch. Jegor bestellte ein Glas Saft, ich einen doppelten Espresso. Schon wieder übermannte mich Müdigkeit.
»Bist du jetzt meinetwegen hier oder nicht?«, fragte Jegor scharf.
»Ich habe noch nicht einmal gewusst, dass du nach Edinburgh fliegst! Ich bin beruflich hier, wegen einer Sache, die nichts mit dir zu tun hat.«
Misstrauisch starrte Jegor mich an. Dann seufzte er und entspannte sich. »Dann entschuldige«, sagte er. »Im Flugzeug ist mir einfach der Kragen geplatzt. Ich mag deine Firma nicht gerade … und ich habe wahrlich keinen Grund, sie zu mögen.«
»Das ist völlig in Ordnung.« Demonstrativ streckte ich die Hände aus. »Ich nehm das nicht krumm. Man muss unsere Firma nicht lieben, das hat sie nicht verdient.«
»Hm.« Nachdenklich stierte Jegor in sein Glas mit Orangensaft. »Wie steht’s denn so bei euch? Geser ist wohl immer noch da, oder?«
»Sicher. Geser war da, ist da und wird da sein.«
»Wie geht es Tigerjunges und Bär?« Jegor lächelte, als erinnere er sich an etwas Schönes. »Haben sie geheiratet?«
»Tigerjunges ist tot, Jegor.« Ich erschauerte, als ich mir klarmachte, dass er nichts davon wusste. »Es gab da eine sehr hässliche Geschichte … bei der alle Federn gelassen haben.«
»Sie ist tot«, meinte Jegor nachdenklich. »Das tut mir leid. Ich mochte sie sehr. Sie war so stark, eine Tierfrau …«
»Eine Transformationsmagierin«, korrigierte ich ihn. »Ja, stark, aber auch sehr emotional. Sie hat sich auf einen Spiegel gestürzt.«
»Auf einen Spiegel?«
»Hmm … das ist ein besonderer Typ von Magier. Ein sehr ungewöhnlicher. Wenn eine Wache an Oberwasser gewinnt, kommt der Gegenseite manchmal so ein Spiegel zu Hilfe. Angeblich bringt ihn das Zwielicht selbst hervor, aber genau weiß das niemand. So ein Spiegelmagier kann im normalen Kampf nicht besiegt werden, denn er nimmt die Kraft des Kontrahenten auf und wirft jeden Schlag zurück. Damals ist er auf uns losgegangen … und Tigerjunges ist dabei gestorben.«
»Und der Spiegel? Habt ihr den getötet?«
»Witali Rohosa, so hieß er … Er hat sich dematerialisiert. Von selbst, das ist ihr Schicksal. Nur ein schwacher, unbestimmter Magier kann zum Spiegel werden. Er verliert dann sein Gedächtnis, begibt sich an den Ort, an dem die Kraft auf einer Seite sprunghaft zugenommen hat, und stellt sich auf die gegnerische Seite. Danach verschwindet der Spiegel, löst sich im Zwielicht auf.«
Ich redete bereits völlig automatisch weiter. Meine Gedanken waren ganz woanders.
In meiner Brust wuchs ein schmerzhafter kalter Klumpen heran.
Ein schwacher unbestimmter Magier?
»Geschieht ihm recht«, meinte Jegor rachelüstern. »Um Tigerjunges tut es mir leid … Ich denke oft an sie. An dich auch manchmal.«
»Wirklich?«, fragte ich. »Ich hoffe, du bist nicht sauer auf mich?«
Ehrlich gesagt, war es mir im Moment völlig egal, an wen sich Jegor wie erinnerte.
Ein schwacher unbestimmter Magier.
Begibt sich an den Ort, an dem …
Löst sich im Zwielicht auf …
»Ein bisschen schon«, gestand Jegor. »Aber nicht sehr. Im Grunde trifft dich keine Schuld. Du hast halt eine … beschissene Arbeit. Am Anfang war ich natürlich wütend. Ich habe sogar mal geträumt, du seist mein Vater. Und dass ich, um dich zu ärgern, ein Dunkler Magier werde und für die Tagwache arbeite.«
Er hatte sein Gedächtnis ja nicht verloren! Ich durfte nicht einfach Parallelen zwischen Rohosa und Jegor ziehen.
»Ein komischer Traum«, meinte ich. »Man sagt ja, bei bestimmten Träumen handle es sich um parallele Realitäten, die in unser Bewusstsein einbrechen. Vielleicht ist das irgendwann einmal passiert. Natürlich wäre es dumm, zu den Dunklen zu gehen …«
Jegor hüllte sich in Schweigen. »Hör auf«, schnaubte er nach einer Weile. »Die Pest soll eure beiden Häuser holen. Ich mag weder die Dunklen noch die Lichten. Aber du kannst mich ruhig mal besuchen, Anton. Ich wohne hier in der Nähe. Im Apex-City. Dann stelle ich dir meine Kollegen vor, die sind alle wirklich prima!«
Er legte ein paar Münzen auf den Tisch und erhob sich. »Ich muss noch arbeiten. Meine Nummer ist der Höhepunkt des Programms, ohne mich verdienen meine Kollegen nicht so viel.«
Am Saft hatte er kaum genippt.
»Jegor!«, rief ich ihm nach. »Warum bist du nach Edinburgh gekommen? Einfach so, aus eigenem
Weitere Kostenlose Bücher