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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welches ihr die in diesem Augenblick so notwendige Fassung zu rauben drohte und ihr es schwer, ja fast unmöglich machte, das Richtige zutreffen.
    „Gnädiges Fräulein, leider habe ich nich off Zeremonienmeester studiert und bin also ooch nich imstande, so hohe Herrschaften mit hofmäßigem Aplomb eenander vorzustellen. Beglücken Sie deshalb Ihren untertänigsten Diener mit königlicher Nachsicht. Herr Schornsteinfeger Emil Winter – Fräulein Wanda von Chlowicki.“
    „Herr König aus dem Mohrenland, kehren Sie nach Dahomey zurück!“
    Mit einer zurückweisenden, stolzen Handbewegung trat sie zur Seite und wehrte den penetranten Brandgeruch, welcher der versengten Kleidung des Essenkehrers entströmte, mit dem duftgetränkten Taschentuch von sich ab.
    Ein leises Lächeln in dem von Schweiß und Schmutz entstellten Angesicht, wollte Winter ihr antworten, da aber trat ihm der Baron hastig und mit gebieterischer Handbewegung entgegen.
    „Sie sehen, daß die Dame nichts von Ihnen wissen will, gehen Sie. Ein Mensch Ihresgleichen sollte notwendigerweise hier gar nicht Zutritt finden dürfen.“
    „Wer sind Sie, mein Lieber?“
    „Ich will die Lächerlichkeit begehen und Ihnen meinen Namen nennen. Ich bin der Baron Eginhardt von Säumen.“
    Winters Auge, dessen Weiße von der Schwärze seines Antlitzes hervorgehoben wurde, maß den Baron langsam und forschend vom Kopf bis zur Fußspitze herab, und dann klang es mit eigentümlichen Ausdruck:
    „Ich kenne Sie nicht!“
    „Ist mir eine Ehre. Gehen Sie.“
    „Nur keine lächerliche Anmaßung, mein Herr Baron!“ Und auf dem Wort Baron lag wieder jener eigentümliche, zweifelhafte Ausdruck. „In Ihrem Ton spricht selbst ein Eskimo nur mit seinen Hunden.“
    Und sich zu Wanda wendend, fuhr er fort:
    „Ich ließ mich in Ihre Nähe zwingen, Fräulein, um unter zwei Fehlern den kleineren zu begehen. Verzeihen Sie einem Mann, dem die Aufmerksamkeit gegen eine Dame in der ersten, die Seife aber erst in der zweiten Reihe stand, weil er gewohnt ist, den Menschen nicht nach dem äußeren Schein, sondern nach dem inneren Gehalt zu taxieren. Adieu!“
    Mit einer gewandten Verbeugung entfernte er sich und verließ nach einer kurzen Unterredung mit Thomas den Saal.
    „Hat man je so etwas erlebt!“ rief der Baron. „Diese Schmach hast du dir selbst zuzuschreiben, und ich hoffe, daß du jetzt nicht zögerst, mir zu folgen.“
    Sie schien seine Worte gar nicht gehört zu haben. Ihr Auge hing noch an der Tür, welche sich hinter dem Essenkehrer geschlossen hatte. Die Härte in ihren Zügen war gewichen und hatte einem sinnenden Ausdruck Platz gemacht. Wie kam dieser Mann zu der noblen Tournure und behenden Sprachfertigkeit, die er während des ganzen für sie so beleidigenden Vorganges gezeigt hatte? Woher kam ihm die Geschicklichkeit, diese Beleidigung zu parieren und auf die Gegner zurückzuwerfen? War diese sonore, metallreiche Stimme nicht schon einmal an ihr Ohr geklungen, und warum hatte dieselbe bei den Worten: ‚Ich kenne Sie nicht‘ einen so merkwürdigen Klang gehabt?
    Es wurde ihr klar, daß der faux pas, den sie begangen, größer war als der seinige, wenn bei ihm überhaupt von einem solchen die Rede war. Sie war nicht nur unhöflich, sondern sogar undankbar und rücksichtslos gewesen. Während die anderen sich in ihrem Vergnügen nicht hatten stören lassen, war er dem Ruf der Pflicht gefolgt und derselben gewiß im vollsten Maße nachgekommen. Sein Habit war verbrannt und zerrissen, und gerade der unausstehliche Geruch desselben führte den deutlichsten Beweis, daß er sich sogar mitten in die Flammen hineingewagt habe. Und diesem braven, vielleicht sogar kühnen Mann, der obendrein ihretwegen eine so bedeutende Ausgabe gemacht hatte, war für alles das nur bittere Kränkung geworden. Oh, wie haßte sie den Baron, dessen Blick sie getrieben hatte, Worte zu sprechen, die sie jetzt bereuen mußte!
    Und was nun? Die Freude war gestört, und wenn auch viele der Anwesenden ihr Verhalten gerechtfertigt fanden, so war doch bei den anderen die Unzufriedenheit mit demselben desto deutlicher zu erkennen, und sie selbst konnte sich bei dem Nachdenken über ihre Lage einer kleinen Verlegenheit nicht erwehren.
    Da trat in Begleitung einiger Vereinsmitglieder der Buchbinder Thomas wieder zu ihr und bat sie, für den heutigen Abend das Zepter allein zu führen, da Winter sich infolge der bei dem Brand gehabten Anstrengung außerstande fühle, den Anforderungen der ihm

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